Das Bundesjustizministerium hat am 4.8.2010 einen Referentenentwurf über ein Mediationsgesetz (MediationsG) vorgelegt. Der Wortlauf des Entwurfs sowie die Begründung dazu sind auf der Web-Seite des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) nachzulesen. Im Ergebnis zwingt der Entwurf nunmehr jeden, der eine gerichtliche Auseinandersetzung in Betracht zieht, sich auch mit der Mediation auseinanderzusetzen.
Allgemeines
Dass sich die Politik und mithin der Gesetzgeber mit der Mediation befassen, ist in jedem Fall begrüßenswert. Ob daraus ein Gesetz entstehen muss, ist eine Frage, die nicht mehr zur Debatte steht. Trotzdem bleibt die im Vorwort des Referentenentwurfs vertretene Auffassung, es gäbe keine andere Alternative zu dem Gesetz, weiterhin fraglich. Dies gilt umso mehr, als die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen, einschließlich des zivilprozessualen Schweigerechts, privatvertraglich herstellen ließen. Die Vollstreckbarkeit kann über eine notarielle Beurkundung erreicht werden. Dass andererseits jedoch eine gesetzliche Legitimation für die gerichtsinterne Mediation überfällig ist, dürfte unbestritten sein. Sie erwartet, dass die Justiz dieses neue Dienstleistungsangebot aufrecht erhält. Generell erlaubt es unser, im Grundsatz auf der Parteiautonomie aufbauendes Recht den Parteien durchaus, eigenverantwortliche Regelungen über ihren Konflikt zu treffen. Zu dieser verfassungsrechtlich in Art. 1 und 2 GG geschützten Autonomie gehört natürlich auch die freie Entscheidung, wann und wie die eigenverantwortliche Konfliktregulierung geschehen soll. Wenn also der autonomen, privaten Konfliktlösung Vorrang gegenüber der staatlichen Streitbeilegung eingeräumt wird, ist dies an und für sich nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Es ist die logische Konsequenz autonomen Denkens. Indem sich der Gesetzgeber berufen fühlt, auch die private Ausgestaltung der Konfliktbeilegung zu regulieren, übernimmt er ein Stück der Verantwortung für diesen privaten Lebensbereich. Er steht vor der Wahl, inwieweit er die autonome Entscheidungsfähigkeit des Bürgers achtet und beschützt oder einschränkt. Schnell entsteht der Eindruck, dass der Gesetzgeber die Fähigkeit der Parteien zur Wahrnehmung ihrer Autonomie im Konfliktfall als eher eingeschränkt einschätzt. Ginge er von der Autonomie des Bürgers aus, wäre die bloße Aufklärung und Information über die Mediation sicherlich eine hinreichende politische Alternative.
Das Interesse des Staates an der Einführung der Mediation ist zweierlei. Einmal geht es um die Entlastung der Justiz. Zum anderen geht es darum, dem Bürger alternative Möglichkeiten nachzuweisen, wie er außerhalb der Justiz Gerechtigkeit finden kann.
Zu begrüßen ist zweifellos, dass sich der Gesetzgeber recht einfühlsam dem Thema gewidmet hat. Das Gesetz ist in dieser Fassung sicherlich ein Weg, das erklärte Ziel, die Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in das Bewusstsein der Bürger und der sie vertretenden und beratenden Professionen zu rücken. Es verbleibt die Sorge, dass dieses Gesetz nur einen ersten Schritt zur Regulierung privater Konfliktbeilegungen darstellt. Positiv zu bewerten ist in jedem Fall, dass der Gesetzgeber die Entwicklung der Mediation beobachtet. Die Mediatoren und deren Interessenvertreter haben also eine letzte Chance zu zeigen, dass sie in der Lage sind, dieses Stück Privatautonomie mit dem Angebot einer professionellen und qualitativ hochwertigen Dienstleistung zu achten und zu schützen.
Definition
Die gesetzliche Definition in Artikel 1, § 1 des Referentenentwurfs folgt erkennbar der EU-Richtlinie. Sie definiert die Mediation als ein Verfahren der Konfliktbeilegung. Die verfahrensorientierte Definition mag aus den Augen verlieren, dass sich die Vermittlung im Streit nicht nur in einem justitiablen Verfahren erschöpft. Sie beschreibt auch eine Art des Denkens und des Umganges mit Konflikten. Während die juristische Logik zu einem Nullsummenspiel führt, bei dem es nur ein entweder oder gibt, erlaubt die Mediation ein Denken, das Widersprüche nicht aufzulösen hat und deshalb einen so genannten Kooperationswettbewerb (Coopetition) ermöglicht. Sie wird weniger zutreffend oft auch als ein Positivsummenspiel beschrieben. In einem Positivsummenspiel kann es ein „sowohl als auch“ geben. Ein entweder oder wäre hier unpassend. Die zielführende Strategie ist zwingend kooperativ. Das dazu passende, mediative Denken zeichnet sich dadurch aus, dass der Verlust des Einen nicht zwingend vom Gewinn des Anderen abhängig ist. Oft halten die Streitparteien ein „sowohl als auch“ in Anbetracht ihrer Konflikterfahrung für ausgeschlossen. Das ist der eigentliche Grund, warum sie skeptisch sind gegenüber der Mediation. Meistens entscheiden sie sich nur dann für eine Mediation, wenn beide Seiten die in einem Gerichtsverfahren erwartete Lösung als zu riskant und deshalb eher schädigend einschätzen. Die zugrunde liegende Strategie hat Prof. Schwarz in der Konfliktevolution herausgearbeitet. Der Ausgangspunkt eines mediativen Denkens hingegen ist die Vorstellung, dass die Gerechtigkeit des Einen nicht zwingend auch die Gerechtigkeit des Anderen bedeutet und dass die Gerechtigkeit des Einen ebenso wenig zwingend die Ungerechtigkeit des Anderen nach sich zieht. Darin unterscheidet sich die Mediation vom konventionellen juristischen Denken. Dort kann es nur eine Gerechtigkeit geben. Die historische Herleitung in der Begründung des Gesetzes führt völlig korrekt an, dass es sich bei der Mediation um einen Vermittlungsprozess handelt. Die Vermittlung bezieht sich nicht auf die Lösung, sondern auf das Verstehen der Hintergründe und Motive des Streites einer jeden Partei. Sie öffnet den Weg in ein dialektisches Denken, bei dem die auf dem wechselseitigen Verständnis aufbauende Synthese das Einverständnis herbeiführt.
Indem der Referentenentwurf den mediativen Prozess aus einer juristischen Logik beschreibt, hat er sich dazu entschlossen, den Angriffspunkt für die Einführung der Mediation weniger in den zugrunde liegenden Einschätzungen der Streitparteien als in einem erwarteten Handeln zu suchen. In dieser Logik setzt die Einführung des Mediationsverfahrens die erklärte Kooperationsbereitschaft der Streitparteien voraus. Alternativ dazu kann der Prozess der Mediation aber genauso gut in einer psychologischen Bedeutung verstanden werden. In dieser Logik zieht würde die Einführung eines mediativen Denkens die Anwendung kooperativer Strategien in der Konfliktlösung als eine logische Konsequenz nach sich ziehen. Die Mediation im Verständnis der gesetzlichen Definition wäre dann allerdings nur einer von vielen Möglichkeiten zu einer friedlichen und außergerichtlichen Konfliktlösung.
Die kulturelle Bedeutung der Mediation ergibt sich daraus, dass sie das logische, juristische Denken relativiert. Sie ist die verfahrenstechnische Hinführung des dialektischen Denkens. Entscheidungsspielräume werden eröffnet, indem das Verständnis von Gerechtigkeit der jeweiligen Streitpartei subjektiviert wird. Die als relativ wahrzunehmende Gerechtigkeit wird in einer komplexen, multikulturellen Gesellschaft immer bedeutsamer. Sie ist in unserer Kultur bisher nicht wirklich etabliert. Trotzdem ist ihr Verständnis die eigentliche Voraussetzung dafür, den Weg in die Kooperation und somit in die Mediation initiativ zu verstehen und nachhaltig zu öffnen. Ob sich die mediative Denkweise dem Bürger dadurch näherbringen lässt, dass Streitparteien in vorgegebene Verfahren gedrängt werden, erscheint fraglich. Es ist aber sicherlich ein möglicher und gangbarer Weg. Wenigstens dann, wenn der dahinter liegende Gedanke einer verhandelbaren Gerechtigkeit in der Mediation transparent wird und dementsprechende Lerneffekte bei den Streitparteien auslöst. Dies zu vermitteln ist zweifellos eine Aufgabe der Mediationsausbildung und eine Herausforderung für das Angebot der Mediation.
Der politische Ansatzpunkt ist somit ein zweifacher: Einerseits mag er darauf abstellen, dass die Bereitstellung des Verfahrens bei den Parteien einen Lernprozess auslöst, bei dem sie erkennen, dass der Gewinn des Anderen nicht zwingend den eigenen Verlust bedeuten muss. Andererseits mag es darum gehen, den Parteien im Voraus ein Denken nahezubringen, das entgegen deren Erwartungen auch in eskalierten Konflikten Kooperationen ermöglicht. Dieser zweifellos nachhaltigere und effizientere Weg ist weniger punktuell und politisch möglicherweise weniger eindeutig. Er schließt die Bürgerbildung ein, indem die dazu führende soziale Kompetenz in Schulen und Kindergärten gelehrt wird und überall dort zur Anwendung kommt, wo immer Menschen die Gelegenheit haben, über den Umgang miteinander Erfahrungen zu sammeln. Wenn sich die Politik für diesen Weg entscheidet, sind die Politiker selbst in der Pflicht und aufgefordert, ein Beispiele dafür abzuliefern, dass sich der kooperative Wettbewerb nicht nur auf ein Gerichtsverfahren beschränken muss.
Besonders unter Berücksichtigung dieser kulturellen Aspekte fällt auf, dass die gesetzliche Definition in Artikel 1, § 1 des Referentenentwurfs nicht explizit erwähnt, dass die Mediation ein parteiautonomes Verfahren darstellt. Wenigstens wird die Eigenverantwortlichkeit der Parteien als ein Begriffsmerkmal gelistet. Das Merkmal wird jedoch auf das Ergebnis bezogen, nicht notwendigerweise auf das Verfahren. Es entsteht somit der Eindruck, dass das Verfahren wenigstens teilweise der Disposition der Parteien und somit ihrer Autonomie entzogen ist. Dieser Eindruck findet in Artikel 1, § 3 Abs. 2 des Referentenentwurfs seine Bestätigung. Hierzu führt die Begründung ausdrücklich auf, dass bestimmte Entscheidungen über das Verfahren auch unabhängig von der Zustimmung der Parteien ihrer Disposition grundsätzlich entzogen sind. Die Schlussfolgerung wird allerdings relativiert, indem die Neufassung des § 278 a ZPO die Disposition über die Öffentlichkeit – interessanter Weise nur bei der gerichtsinternen Mediation – ausdrücklich wieder zulässt. Gleiches gilt für die Folgebeauftragung. Mithin stellen sich die, den Parteien zugestandenen, Verfahrensoptionen nicht als ein Ausfluss ihrer Parteiautonomie dar. Sie erscheinen lediglich als der Ausdruck einer zweckmäßigen Ausnahmeregelung. Der Referentenentwurf hinterlässt somit die Frage, wie in anderen Fällen umzugehen ist, wenn ein Bedürfnis besteht, die Grundprinzipien der Mediation wie etwa die Eigenverantwortlichkeit, die Offenheit, die Transparenz, die Informiertheit, die Neutralität bzw. die Allparteilichkeit oder die Vertraulichkeit zu disponieren. Zu denken ist an die Mediation im öffentlichen Bereich. Zu denken ist auch an die Schulmediation, wo Lehrer einbezogen werden oder an die innerbetriebliche Mediation, wo der Vorgesetzte an einer Mediation beteiligt wird, ganz zu schweigen vom Täter Opfer Ausgleich. Es bleibt zu hoffen, dass die Parteien in diesen Fällen ausreichende Dispositionsbefugnisse behalten, um das Verfahren den jeweiligen Gegebenheiten anpassen zu können. Damit die Mediation auch in diesen Fällen dogmatisch korrekt zu beschreiben ist, neigen mehr und mehr Mediatoren zu der Auffassung, es bedürfe einer Differenzierung zwischen der forensischen Mediation, also der in ein mögliches Gerichtsverfahren mündenden Mediation und der Mediation im Übrigen.
Zur Vereinheitlichung der Terminologie wäre es angebracht, das in Artikel 1, § 1 Ziff. 3 des Referentenentwurfs legal als „richterliche Mediation“ definierte Verfahren als „gerichtsinterne Mediation“ zu benennen. Der Begriff der richterlichen Mediation birgt einen Widerspruch in sich. Ein Richter ist definitionsgemäß eine Person, die, in bestimmten Formen als Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter in ihr Amt berufen, unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, die rechtsprechende Gewalt ausübt. Die gerichtsinterne Mediation ist deshalb, weil es bei der Mediation gerade nicht um die Ausübung rechtsprechender Gewalt geht, sprachlich korrekter als eine nichtrichterliche Mediation zu bezeichnen. Etwas verkompliziert aber sicherlich zutreffender wäre der Begriff der nichtentscheidungsricherlichen Mediation.
Die Verwendung des Begriffs der richterlichen Mediation führt zu einer, die gerichtsinternen Mediation einschränkenden, Entwicklung. Möglicherweise ist dies der Hintergrund für die irritierende Begriffswahl. Die Verwendung des Begriffs der „Richtermediation“ führt zu der Schlussfolgerung, dass die Gerichte keine anderen Personen als Mediatoren einsetzen können, als Richter. Der Vergleich mit dem Ausland zeigt jedoch, dass es auch andere, Personalkosten schonende, Modelle der gerichtsinternen Mediation geben kann. In England beispielsweise ließen sich sehr gute Erfolge nachweisen, nachdem den Rechtspflegern (Clerks) die mediative Bearbeitung von Mediationen in so genannten small cases auferlegt wurde. Diese Fälle tangieren nicht die wirtschaftlichen Interessen der freien Mediatoren. Sie führen trotzdem zu einer spürbaren Entlastung der Justiz. In anderen Ländern, wie z.B. in den Niederlanden und in Kroatien werden so genannte Court Agents in den mediativen Prozess eingebunden. Die Verwendung einer weniger auf den beruflichen Hintergrund des Mediators abstellenden Terminologie öffnet also den Raum für eine flexible, sich den Verhältnissen anpassende, Entwicklung der gerichtsinternen Mediation. Hinzu kommt, dass der Begriff der gerichtsinternen Mediation als solches bereits eingeführt war. Er wurde als solcher im In- und Ausland kommuniziert. Die Konnotation der gerichtsinternen Mediation bringt besser zum Ausdruck, dass die Mediation im Gericht eigentlich nichts anderes ist als eine „reine“ Mediation, die lediglich im Gericht angeboten wird und in der gerichtlichen Organisation ein zu Hause hat. Sie erlaubt schließlich auch eine bessere Abgrenzung zum Güterichter und zur integrierten Mediation. Hier bearbeitet der erkennende Richter den Fall mit mediativen Kompetenzen. Die Mediation fungiert dabei wie ein Metaverfahren. Auch der Begriff der integrierten Mediation ist wissenschaftlich eingeführt. Er wird auch im Ausland als solcher verwendet. Der mit der EU Richtlinie vorgegebene internationale Aspekt des Verfahrens legt ebenso die Verwendung des Begriffs der gerichtsinternen Mediation nahe. Das Interesse der EU Richtlinie war es, mit der Mediation ein internationales Verfahren anzubieten, das die unterschiedlichen Zugänge zur Justiz in den jeweiligen Mitgliedstaaten überwinden kann. Mithin sollte die Begrifflichkeit auch den internationalen Gepflogenheiten angepasst sein. In der internationalen Verwendung mag die „out of court mediation“ übersetzt werden als außergerichtliche Mediation. Demgegenüber steht der Begriff der „in court mediation“. Er entspricht der gerichtsinternen oder gerichtlichen Mediation. Die „court annexed mediation“ oder „court connected mediation“, kann mit „gerichtsnahe Mediation“ übersetzt werden. Sie beschreibt den nach außen in die „out of court mediation“, also die außergerichtliche Mediation, vermittelten Fall.
Verschwiegenheitspflicht
Die Verschwiegenheitspflicht soll dazu beitragen, den Grundsatz der Vertraulichkeit zu verwirklichen. Die in der Mediation zugesicherte Vertraulichkeit soll verhindern, dass Informationen, die in der Mediation aufgekommen sind, von der gegnerischen Partei etwa in einem eventuellen streitigen Gerichtsverfahren verwendet werden. Ohne die zugesicherte Vertraulichkeit würde die Mediation allzu leicht zur Informationsbeschaffung missbraucht werden können. Die Vertraulichkeit ist deshalb ein essentiell wichtiges, strategisches Prinzip der Mediation. Ihr Zweck verwirklicht sich jedoch nur, wenn die Vertraulichkeit nicht nur dem Mediator, sondern auch den Parteien auferlegt wird. Die Formulierung des Referentenentwurfs stellt lediglich auf die Person des Mediators ab. Artikel 1, § 4 des Referentenentwurfs mag deshalb einschränkend verstanden werden, indem nur die Mediatoren der Schweigepflicht unterworfen sind. Bei dieser gesetzlichen Formulierung bleiben die Mediatoren aufgefordert, in Erweiterung der gesetzlichen Vorgabe einen Vertrag vorzubereiten, der auch zwischen den Parteien abgeschlossen wird und diese ebenfalls zur Fairness und Verschwiegenheit verpflichtet. In diesem Licht gesehen, bildet lediglich das aus der Vertraulichkeit abgeleitete gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht eine zweifellos notwendige Verstärkung der Verschwiegenheitspflicht der Mediatoren. Der Referentenentwurf beschränkt das Zeugnisverweigerungsrecht jedoch auf das Zivilgerichtsverfahren. Es ist somit nur eine klarstellende Institutionalisierung dessen, was prozessvertraglich ohnehin hätte geregelt werden können.
Artikel 1, § 4 des Referentenentwurfs gestattet eine Einschränkung der Vertraulichkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Sie ist eine auf die EU Richtlinie zurückzuführende Inkonsequenz. Sie stellt eine, den Prinzipien der Mediation zuwiderlaufende, Intransparenz heraus. Letztlich gibt sie dem Mediator – besonders bei einer streitigen Faktenlage – eine Entscheidungskompetenz, die mit der Definition, der Mediator sei nicht entscheidungsbefugt, im direkten Widerspruch steht. Der Mediator sollte sich, wenn er von der Offenlegung aus öffentlichen Belangen Gebrauch machen will, aus Gründen der Fairness wenigstens verpflichtet fühlen, die Medianten auf diese Option hinzuweisen. Im anderen Fall wäre der Schutz der Parteien in einem vertraulichen, nunmehr staatlich vorgesehenen Verfahren, geringer als bei der Vernehmung durch die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder den Richter, wo der Beschuldigte wenigstens die Möglichkeit hat, seine Aussage im Hinblick auf eine mögliche Selbstschädigung zu verweigern und wo die fehlende Belehrung zu einem prozessualen Verwertungsverbot führen kann. Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt. Trotzdem legt der Referentenentwurf nur in seiner Begründung nahe, dass die Mediatorinnen und Mediatoren auf die beabsichtigte Weitergabe von Informationen in geeigneten Fällen hinweisen sollten. Er schränkt ein: „solange dadurch nicht der Schutz des Kindes infrage gestellt wird“. Das sich daraus ergebende Dilemma der Mediatoren lässt sich lösen, wenn die Ausbildung zur Mediation andere Wege nachweist, wie der Schutz des Kindeswohls etwa durch ein vom Mediator zu initialisierendes, eigenverantwortliches Handeln der Parteien anstatt durch die Übernahme einer Verantwortung seitens des Mediators sichergestellt werden kann.
Eine weitere Inkonsequenz der Vertraulichkeit ergibt die Regelung zur Öffentlichkeit bei der gerichtsinternen Mediation. Der Richtermediator ist gut beraten, wenn er die als Öffentlichkeit zugelassenen Personen ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Vorgehensweise könnte die durch das Gesetz entstandene Vertraulichkeitslücke ohne weiteres schließen.
Leider lässt die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung zur Verschwiegenheit offen, wie der Mediator mit Fakten umgeht, zu deren Offenbarung die Parteien ohnehin verpflichtet sind. Ein Beispiel ist die Verpflichtung der Parteien zur Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse in familienrechtlichen Fällen. Die Verpflichtung betrifft den Zugewinnausgleich und den Unterhalt. Die Frage ist hoch problematisch, wenn in der Mediation Schwarzeinnahmen zugestanden werden. Wegen der gesetzlichen Verpflichtung zur Anzeige auch derartiger Einkünfte, ist die Information keinem Geheimnisschutz unterworfen.
Kosteneinsparung
Eine Mediation, die mit hoch eskalierten Beziehungskonflikten, wie sie beispielsweise in Familiensachen nicht unüblich sind, umzugehen hat, lässt sich kaum auf drei Stunden begrenzen. Ganz besonders dann nicht, wenn die Mediation zu einem nachhaltigen Ergebnis führen soll, das sich mit Beziehungsfragen auseinandersetzt und dem Konzept der transformativen Mediation folgt. Es sollte deshalb grundsätzlich zwischen der gerichtsinternen Mediation in Familiensachen und der Mediation in Zivil- oder sonstigen Sachen unterschieden werden.
Eine bisher noch nicht veröffentlichte Untersuchung von Prof. Dr. Neuert über das Modellprojekt „integrierte Mediation in Familiensachen im Bezirk des OLG Koblenz“ hat sich in Rheinland-Pfalz mit Fragen der Effizienz der Cochemer Praxis und der integrierten Mediation befasst. Prof. Dr. Neuert beweist, dass diese Verfahren zu messbaren Kosteneinsparungen führen. Sein Gutachten belegt, dass diese Verfahren eine evident höhere Zufriedenheit aller Beteiligter bewirkt, einschließlich der Richter und der Rechtsanwälte. Interessanterweise ergab seine Recherche, dass die konventionellen Verfahren ebenfalls eine recht hohe Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Prof. Dr. Neuert hat bei seinem Vortrag auf der Konferenz in Piesport am 26.6.2010 darauf hingewiesen, dass ein Vergleich mit der gerichtsinternen Mediation noch ausstehe und eine sinnvolle Erweiterung seiner immerhin mehr als 500 Seiten umfassenden Begutachtung bedeuten könnte. Wenn es, wie angekündigt, zu weiteren Evaluationen kommen sollte, ist es angebracht, die Evaluation der gerichtsinternen Mediation auf dieser Begutachtung aufzubauen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Nachhaltigkeit auch hinsichtlich der Langzeitfolgen untersucht wurde, ebenso wie die Wirkung auf eventuelle Folgesachen und die daraus resultierenden Einsparungseffekte.
Generell gilt es zu den Kostenfragen anzumerken, dass die Einführung der gerichtsinternen Mediation ohne einen Kostenaufwand nicht möglich ist. Der Hinweis, dass die Durchführung dieses Gesetzes nicht mit einem Kostenaufwand für die öffentlichen Haushalte verbunden sei, ist deshalb zu bezweifeln. Die konsequente Umsetzung und Etablierung der gerichtsinternen Mediation erfordert den Aufbau unabhängiger, also selbst verwalteter Abteilungen im Gericht, wie dies beispielsweise in England, Kroatien und den Niederlanden geschehen ist. In Kroatien, wo die gerichtsinterne Mediation gesetzlich bereits seit Längerem vorgeschrieben war, wurde die Einrichtung so genannter „mediation centres“ an jedem Gericht als Folge einer politischen Anforderung vorgegeben. Um die Mediationsabteilungen als unabhängige Geschäftsstellen verwalten zu können, musste eigenes Personal abgestellt werden. Ganz zu schweigen von speziell einzurichtenden Räumlichkeiten. Es wurden eigene Akten bedruckt, eigene Briefköpfe und Formulare erstellt. Weiterhin wurde aufwändiges Informationsmaterial ausgelegt. Schließlich wurde der Bedarf für Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der Richter einerseits und der so genannten Court Agents oder Mediation Officers andererseits erkannt. All diese Maßnahmen sind bei einer konsequenten Umsetzung der gerichtsinternen Mediation notwendigerweise zu erwarten. Sie mögen sich als nützlich erweisen, bleiben aber ganz sicher nicht ohne eine Kostenfolge. Hinsichtlich der Personalplanung konnte beispielsweise in Kroatien leicht nachgewiesen werden, dass die für die Einstellung und Verwendung der Richter maßgeblichen Pensenschlüssel zu einer offensichtlichen, rechnerischen Mehrbelastung der Richterschaft geführt haben. In der Praxis absolvieren sowohl der abgebende Richter ein Arbeitspensum wie auch der als Mediator fungierende Richter. Konsequenterweise steigt das Arbeitspensum des erkennenden Gerichts, je später die Abgabe des Verfahrens in die Mediation erfolgt. Im Falle der gerichtsinternen Mediation werden nun zwei Richter mit der Bearbeitung eines Falles befasst. Selbst wenn das Pensum des erkennenden Richters – wie in Kroatien nachgewiesen – mit nur einer 1/3 Belastung angesetzt wird, erhöht sich die Arbeitsbelastung der Richterschaft um 1,3 pro Fall. Eine Personalkosteneinsparung wäre hingegen nur denkbar, wenn sich das Gesamtpensum der am Fall arbeitenden Richter unter 1,0 verringert. Das wiederum ist selbst theoretisch nur möglich, wenn der Fall in eine außergerichtliche Mediation abgegeben wird. Am Besten, bevor der erkennende Richter überhaupt mit der Sache befasst wird. In den Fällen der gerichtsinternen Mediation ist der Trend zu beobachten, dass die als Mediatoren eingesetzten Richter danach streben, Ihre Leistung zu optimieren. Auch die Kritik von außen, dass die gerichtliche Mediation nicht zuletzt wegen ihres eingeschränkten Zeitkontingents eine qualitativ schlechtere Mediation darstelle, verursacht eine dahingehende Dynamik. Die Praxis wird sich deshalb deutlich von den Modellen unterscheiden, wo begeisterte Richtermediatoren als Pioniere bereit waren, freiwillige Mehrleistungen bei einer improvisierten Ausstattung und ohne eine ausgleichende Freistellung zu erbringen. Die Nachfrage nach gerichtsinterner Mediation ist in Deutschland vielversprechend. Mithin wird sich die Anforderung nach erweiterten kostenrelevanten Freistellungen und zusätzlichen Ausstattungen als eine logische und zu erwartende Konsequenz darstellen.
Dass die Einführung der gerichtsinternen Mediation für den freien Markt kostenfrei sei, ist entgegen der Feststellung im Referentenentwurf ebenfalls zu bezweifeln. Eine Kostenfreiheit mag hinsichtlich der direkten Kosten behauptet werden. Im ökonomischen Verständnis sind Kosten aber auch Investitionskosten, Opportunitätskosten und entgangene Gewinne. Zweifellos wird die gerichtsinterne Mediation Einfluss auf den Markt nehmen. Auch wenn die Justiz sich selbst nicht als Marktteilnehmer betrachtet, nimmt sie doch Einfluss auf das Marktgeschehen. Die Dienstleister müssen sich an die veränderten Marktbedingungen anpassen und Investitionen in Kauf nehmen. Das mag, wenn es sich beispielsweise um Fortbildungen handelt, durchaus gewollt sein. Jedoch verbleiben Kostenfolgen. Dass die Einführung der gerichtsinternen Mediation den Markt beeinflussen wird, bestätigte Prof. Dr. Neuert in seinen Ausführungen auf der bereits erwähnten Konferenz. In einer ersten Phase mag dies wegen der von der Einführung der gerichtsinternen Mediation ausgehenden Marktbelebung durchaus erwünscht sein. Denn zweifellos fördert das justizielle Angebot ein Bewusstsein für die Mediation als eine mögliche Form der Streitbeilegung. Aus der Kundensicht wird die gerichtsinterne Mediation jedoch als ein gegenüber der freien Mediation zu differenzierendes Angebot verstanden. Dieser Eindruck wird durch die Verwendung des Begriffs der richterlichen Mediation eher noch verstärkt. In einer weiteren Phase mag sich deshalb dieses isoliert wahrgenommene Angebot der Justiz durchaus zu einer erhöhten Nachfrage verselbständigen. Wie werbewirksam der Richtertitel dann für die Mediation sein wird, mag ein Beispiel aus Amerika belegen. JAMS, ein großes Mediationsunternehmen, das u.a. in Kalifornien ansässig ist, beschäftigt wegen des speziell Richtern gegenüber entgegen gebrachten Vertrauensvorschusses vornehmlich ehemalige Richter als Mediatoren. Ein Marktvorteil der gerichtsinternen Mediation wird auch dadurch hergestellt, das die Justiz das mediative Verfahren kostenfrei anbietet und dadurch einen mit Steuergeldern finanzierten Service vorhält, der mit dem freier Mediatoren in seiner Qualität durchaus konkurrieren kann. Es ist zu bezweifeln, dass die korrigierende Idee, die außergerichtliche Mediation durch eine Verfahrenskostenhilfe zu finanzieren, das Gleichgewicht des Wettbewerbs wirklich ausgleichen kann. Der im Referentenentwurf erwähnte Hinweis auf Erfahrungen mit finanziellen Zuwendungen im Falle einer Inanspruchnahme der Mediation mag berücksichtigen, dass es dort ein Angebot, wie es die gerichtsinterne Mediation hier vorstellt nicht gibt. In jedem Fall birgt die staatliche Finanzierung der Mediationen eine Gefahr, dass über die Verfahrenskostenhilfe auch solche Mediationsfälle zu finanzieren sind, die zwar einer Mediation zugänglich sind, die jedoch von vorne herein keine Gerichtsrelevanz besitzen. So wäre gegebenenfalls auch eine Mediation in Familiensachen aus der Staatskasse zu finanzieren, die sich lediglich mit der isolierten Frage der Parteien auseinandersetzt, ob eine Trennung überhaupt gewollt ist oder nicht. Es handelt sich um einen Streitgegenstand, der vor einem Gericht nicht geklärt werden kann. Wenn der Gesetzgeber die Verfahrenskostenhilfe nicht auch auf derartige Fälle ausdehnen will, werden komplizierte Abgrenzungen der „forensischen“ Mediationsverfahren, zur Eheberatung, zur psychologischen Unterstützung der Parteien und zur Mediation im Übrigen erforderlich.
Klageschrift
Der Gesetzesentwurf sieht in der Neufassung des § 253 Absatz 3 ZPO vor, dass die Klageschrift eine Angabe enthalten soll, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist oder warum ein solcher Versuch unterlassen wurde. Was unter dem Begriff der „anderen Verfahren“ zu verstehen ist, deutet die Begründung des Referentenentwurfs an. Dort werden die „in zahlreichen Landesgesetzen vorgesehenen Schlichtungs-, Schieds- und Gütestellenverfahren, neuere Schiedsverfahren wie die Adjudikation sowie die Verfahren des sog. Mini Trial und der sog. Early Neutral Evaluation“ aufgeführt. Offenbar meint der Gesetzgeber die Verfahren der triadischen Phase, bei denen ein Dritter beteiligt ist. Richtig wäre es unter „anderen Verfahren“ aber auch die Verfahren der monadischen und der dyadischen Instanz einzubeziehen, wie zum Beispiel die Negotiation, also die Verhandlung mit oder ohne Beteiligung einer weiteren Person. Der konstruktive Versuch einer kooperativen Streitbeilegung kann schließlich auch die Bemühung von Anwälten meinen, etwa im Rahmen der neu aufkommenden kooperativen Praxis. Erst wenn die Parteien gehalten sind, statt einer Auswahl an Verfahren, eine Auskunft über ihre jeweiligen Kooperationsversuche vorzulegen, ergibt die Informationspflicht in der Klageschrift verwertbare Hinweise auf die Bemühungen und die Bereitschaft der Parteien, den Konflikt ohne die Inanspruchnahme der gerichtlichen Hilfe zu beenden. Sie führt indirekt zu dem erklärten Ziel, die Mediation und die außergerichtliche Konfliktbeilegung stärker im Bewusstsein der Bevölkerung und in der Beratungspraxis der Rechtsanwaltschaft zu verankern. Konsequenzen aus der in der Klageschrift einzusetzenden Erklärung sind nicht erkennbar. Trotzdem wäre es sinnvoll, wenn sich der erkennende Richter oder eine dafür zuständige Person, wie etwa der Court Agent oder Mediation Officer, für die Motive und die Hintergründe interessiert, welche die Streitparteien glauben machen, ihr Problem nur durch eine gerichtliche Intervention, also konfrontativ, regeln zu können. Wenn es der Richter versteht, sich auf eine solche Auseinandersetzung einzulassen, findet er hinreichende Argumente zur Frage, ob das Gericht überhaupt der richtige Weg in eine parteigerechte und effiziente Konfliktlösung darstellt. Er wird genügend Ansatzpunkte erkennen, andere Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung ins Gespräch zu bringen. Erst wenn der Richter sich mit den verschiedenen Verfahren und Möglichkeiten der Konfliktbehandlung auskennt, besitzt er die Kompetenz, die Parteien dementsprechend zu beraten. Aus dieser Überlegung folgt das im Ausland bereits evaluierte Bedürfnis, auch die erkennenden Richter in Mediation auszubilden. Dies ist eine politisch notwendige Folge, die mit dem Bedürfnis zusammenfällt, so genannte Referral Facilities als Schnittstelle zwischen dem Erkenntnisverfahren und der gerichtsinternen Mediation vorzuhalten, welche ähnlich dem Modell des Multi-Door-Court-Houses die Parteien über die Art und Weise der Konfliktbeilegung informieren und beraten können. Eigentlich ist die Beratung über den besten Weg zur allseitigen Konfliktregulierung bereits von den Anwälten durchzuführen. Obwohl sich die Erklärungspflicht in der Klageschrift nicht auf Anwaltsprozesse beschränkt, führt der Referentenentwurf genau diesen Aspekt zur Begründung an. Dass es ihm darauf ankomme, die Anwälte zur Information über Alternative Konfliktbeilegungen anzuhalten. Auch dies ist eine Erwartung, dis ich nur dann realistisch umsetzen lässt, wenn die Anwälte genau wissen, was Mediation ist und wie sie funktioniert. Eine Auseinandersetzung über die Frage des „richtigen“ Verfahrens wird, verbunden mit dem richterlichen Hinweis trotz oder entgegen der vorangegangenen anwaltlichen Klageempfehlung eine Mediation durchzuführen, nicht ohne weiteres die Unterstützung der Anwälte finden. Sie könnten befürchten, die Parteien fehlerhaft beraten zu haben und werden den Vorschlag der Abgabe des Verfahrens in eine Mediation möglicherweise schon deshalb ablehnen. Eine strategische gebotene Resistenz der Anwälte kann erst dann aufgelöst werden, wenn der Richter neue, aus der Falldynamik erwachsende Argumente vorbringt oder die Kooperationsbereitschaft als solche thematisiert.
Bezogen auf die Erklärung über nicht durchgeführte Verfahren wäre es für die Erledigung der Angabe in der Klageschrift sicherlich ausreichend, wenn die Parteien behaupten, dass sie für derartige Verfahren keine finanziellen Mittel bereitstellen konnten. Die Wirkung der Formel hängt von der Reaktion des erkennenden Richters ab. Weiß er damit nichts anzufangen, steht zu befürchten, dass die stereotyp abverlangte Erklärung über nicht konsumierte Verfahren der Konfliktbeilegung nicht mehr ist als eine leere Floskel. Wenn dann noch die Begründung, warum ein solches Verfahren nicht durchgeführt wurde, als ein an die Gegenseite gerichteter Vorwurf ausgestaltet wird, könnte sie sogar zur Eskalation beitragen. Was wird der Richter mit solchen Erklärungen anfangen? Sollen die Parteien Nachteile oder gar Antipathien des Richters zu befürchten haben? Soll der obligatorische Hinweis einen Beigeschmack bekommen oder soll sie den Richter lediglich davon befreien, selbst nochmals die Mediation ins Gespräch zu bringen und sein Ermessen hinsichtlich der Kann-Vorschrift des § 278a ZPO neue Fassung dahingehend auszuüben, dass er weitere Versuche unterlässt, die Parteien auf eine Mediation hinzuweisen. Um überzeugende Gründe für die Abgabe des Verfahrens in eine Mediation liefern zu können, bedarf es meistens einer vorangegangenen Verhandlung, die sich nicht nur mit der Sache, sondern auch mit der Frage des „richtigen“ Verfahrens auseinandersetzt. Die Dynamik des Konfliktes und die Interessen aller am Verfahren beteiligter, also auch der Rechtsanwälte, erfordern deshalb eine flexible Handhabung seitens des Gerichts und ein gewisses Fingerspitzengefühl des Richters. Diese Erwartung verstärkt die Forderung, dass die erkennenden Richter hinreichend darüber ausgebildet sind, wie Konflikte am Besten zu behandeln sind. Die stereotyp angelegte und ohne erkennbare Konsequenzen aufgestellte Frage, ob eine Mediation durchgeführt wurde, wird deshalb ohne ein entsprechendes Verständnis und ohne eine tiefer gehende Kenntnis der Beteiligten über die Mediation und die Formen der Konfliktbeilegung wahrscheinlich nicht die erwartete Wirkung zeigen. Sinnvoller erscheint es deshalb, die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft der Parteien zu hinterfragen und damit ihr Motiv des Prozessierens zu erörtern. Diese Vorgehensweise lässt sich besser auf die Dynamik des Konfliktes ein. Sie gibt dem Richter eine Handhabung auch nach dem Beginn des Verfahrens Wege in die Kooperation einzuleiten. Warum geht der Gesetzgeber also nicht so weit, die staatliche Hilfe und damit das Rechtsschutzbedürfnis generell als subsidiär gegenüber privaten Konfliktlösungsversuchen zu erklären? Immerhin zitiert der Entwurf in seiner Begründung, dass es auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung sei, eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen. Die explizit erklärte Nachrangigkeit staatlichen Handelns wertschätzt die Autonomie der Parteien und deren Eigenverantwortlichkeit. Sie bedeutet keine Zurückweisung der Parteien. Sie ist vielmehr der Ausdruck von Respekt gegenüber dem Bürger. In diesem Lichte gesehen ist es richtig und nachvollziehbar, wenn von den Parteien erwartet wird, zunächst eigene Versuche der Konfliktlösung zu unternehmen. Die Erwartung, dass sie dies auf eine vorgegebene Art und Weise zu tun haben, erscheint demgegenüber eher despektierlich. Besonders dann, wenn die Erwartung lediglich darauf abzielt, dass der Bürger kostenpflichtige Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen hat, die er sich nicht leisten will. Es sollte ihm überlassen bleiben, wie er seine Eigenverantwortung zur Lösung seines Konfliktes wahrnimmt. Die konsequente Lösung im Vereinigten Königreich gefällt. Hier kann die Partei, die sich gegen eine einvernehmliche, außergerichtliche Lösung sträubt und dadurch den Prozess erforderlich macht, an den Kostenfolgen beteiligt werden. In Deutschland könnte z.B. eine zivilrechtliche Verpflichtung aus c.i.c herzuleiten sein, wonach sich die Parteien aufgrund des vorangegangenen Vertragsverhältnisses auch zur Rücksichtnahme verpflichtet fühlen, überflüssige Streitanlässe zu vermeiden. Die Mediation ist eines von vielen kooperativen Verfahren der ADR. Es ist nicht die einzige Möglichkeit den Streit einvernehmlich durchzuführen. Das politische Ziel sollte es demnach sein, die generelle Kooperationsbereitschaft zwischen den Parteien zu fördern. Der Weg in die Mediation wäre dann eine logische Folge und nicht ihre Voraussetzung.
Gerichtsinterne Mediation
Welche Bedeutung der gerichtsinternen Mediation zukommt ist noch völlig ungeklärt. Auch ihr Verhältnis zu der freien Mediation ist offen. Bisher hat sich die gerichtsinterne Mediation noch nirgends dauerhaft etablieren können. Die freien Mediatoren sehen in ihr – nicht zu unrecht – ein aus Steuermitteln finanziertes Konkurrenzangebot. Die Entscheidung für die gerichtsinterne Mediation ist – von Verfassungsfragen einmal abgesehen – aber eine politische Entscheidung, die durchaus nachvollziehbar ist. Um die gerichtsinterne Mediation als solche zu gewährleisten und ihre Unabhängigkeit vom Gerichtsverfahren zu dokumentieren, mag jedoch eine klarstellende Regelung vorgesehen werden, dass die in der gerichtsinternen Mediation aufgebrachten Fakten keinesfalls im Gerichtsverfahren verwendet werden und dass die innergerichtliche Organisation sich darauf einzustellen hat, indem sie die Mediationsfälle in einer eigenen, unabhängigen Abteilung des Gerichts verwaltet.
Folgt man dem Referentenentwurf, dann ist der so genannte Richtermediator ein Mediator sui generis. Die Begründung erwähnt jedenfalls ausdrücklich, dass die richterlichen Mediatorinnen und Mediatoren nach wie vor als Richterinnen und Richter und als Amtsträger nicht nur den Parteien gegenüber verpflichtet sind. Diese Sichtweise eröffnet spannende Schnittstellen. Die Neufassung des § 278a Absatz 2 Satz 5 ZPO sieht deshalb vor, dass die richterlichen Mediatorinnen und Mediatoren beispielsweise in den Fällen der Protokollierung dem Streitrichter gleich gesetzt werden. Nachdem die Richtermediatoren auf diese Weise zu gewissen Prozesshandlungen befugt werden, bedarf es der Klarstellung, wo Ihre Amtsloyalität endet und wo genau ihre Grenzen sind. Ein Hinweis, dass Richtermediatoren zu weiteren Prozesshandlungen nicht befugt sind, dass sie keine Beweise erheben und keine den Prozess fördernden Verfügungen oder Beschlüsse erlassen dürfen, rundet das Bild ab.
Dass der Richtermediator nicht über die Verfahrenskosten entscheiden darf erscheint ebenso konsequent wie unpraktisch. Die Parteien sind gut beraten, wenn sie in jedem Fall noch in der gerichtsinternen Mediation eine Einigung der über die Verfahrenskosten herbeiführen. Immerhin ist die Mediation ein Teil des Verfahrens. Die Durchführung der gerichtsinternen Mediation ist nur möglich, nachdem die Prozesskostenvorschüsse gezahlt wurden. Sie ist so gesehen also auch Kosten verursachend. Ohne eine Kostenregelung muss das Verfahren wieder dem erkennenden Richter zugeschrieben werden. Es bedarf einer Erledigungserklärung. Wenn der Vergleich keine Kostenregelung enthält, gelten die Kosten als gegeneinander aufgehoben.
Vollstreckbarerklärung der Mediationsvereinbarung
Die Möglichkeit der Vollstreckbarerklärung der Mediationsvereinbarung macht die Mediation zu einer echten und weiter reichenden Alternative gegenüber der juristischen Dienstleistung. Sie geht sogar über den Anwaltsvergleich (§ 796a Absatz 2 ZPO) hinaus, indem die Regelung eine Vollstreckbarerklärung auch dann zulässt, wenn die Vereinbarung auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist oder den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft.
Die Sorge, dass Mediatoren aus anderen Ursprungsberufen als Juristen Probleme mit der Fassung vollstreckbarer Erklärungen haben könnten, hat der Gesetzgeber geschickt gelöst. Sie muss zum Einen durch die dadurch erhöhte Anforderung an die Ausbildung beigelegt werden. Zum Anderen aber auch dadurch, dass die Vollstreckungsfähigkeit durch das Gericht einer nochmaligen Prüfung unterzogen wird. Das mag die Anforderungen an den zuständigen Rechtspfleger erhöhen, der im Familienrecht zum Beispiel über materiell rechtliche Aspekte, wie z.B. das Verbot des Verzichtes auf Kindesunterhalt, das Verbot eines Verzichtes auf Getrenntlebensunterhalt und viele andere Restriktionen zu erkennen hat. Der Zeitablauf wird belegen, ob diese Regelung mit einer erhöhten Belastung der Justiz einher geht. Die Regelung ist konsequent. Ein Bedürfnis ist jedoch nicht erkennbar. Die Vollstreckbarkeitserklärung des Notars ist eine ausreichende und gute Alternative, zumal sie die Möglichkeit gibt, die rechtliche Verantwortung aus der Mediation herauszunehmen. Gegen die Einschaltung des Notars spricht nur noch, dass die Vollstreckbarkeitserklärung durch das Gericht kostengünstiger ist.
Ruhen des Verfahrens
Das Gericht kann den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zum Beispiel nach § 278 a ZPO neue Fassung vorschlagen. Entscheiden sich die Parteien hierzu, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an. Die im familien- und arbeitsgerichtlichen Verfahren erwähnte Pflicht, das Verfahren – auch ohne Antrag nach 3 Monaten wieder aufzunehmen zwingt die Parteien gegebenenfalls gegen deren Willen, den Streit fortzuführen. Eine stillschweigende Nichtwiederaufnahme des Verfahrens mag auch eine Form der Einigung darstellen. Sie bedeutet, dass die Parteien dem Konflikt aus dem Weg gehen wollen. Es hat sich im Vergleich mit dem Ausland gezeigt, dass die Möglichkeit in Deutschland, die Akten nach 6 Monaten ohne weiters wegzulegen, wenn keine der Parteien mehr den Fortgang des Verfahrens beantragt, zu einer Entlastung der Justiz führt. Es sollte auch aus Gründen der Konfliktdynamik grundsätzlich der Parteiautonomie obliegen, ob das Verfahren fortgeführt wird oder nicht. Die Parteien sind mündig genug, einen entsprechenden Antrag zu stellen, erst recht, wenn sie anwaltlich vertreten sind. Der in der Begründung des Referentenentwurfs geäußerte Gedanke des Gesetzgebers, das Verfahren durch diese Regelung beschleunigen zu wollen ist jedoch sinnvoll und nachvollziehbar. Er sollte in allen Verfahren Geltung haben, denn es ist zur Förderung der Bereitschaft der Parteien, eine Mediation zu versuchen, wichtig, dass ihnen dadurch kein prozessualer Nachteil entsteht. Ein Zeitnachteil jedenfalls wird ausgeglichen, wenn sich der Richter generell verpflichtet fühlt, unverzüglich einen Termin anzuberaumen, falls eine der Parteien dies beantragt. Wenn die Parteien damit rechnen müssen, dass die gescheiterte Mediation eine verzögerte Terminierung nach sich ziehen wird, könnten sie gehalten sein, eine Mediation nur deshalb abzulehnen, weil dadurch ein eventuell fortzuführendes Gerichtsverfahren unangemessen verzögert wird.
Zusammenfassung
Es ist nicht zu verkennen, dass der Gesetzgeber die Mediation als eine Form der alternativen Konfliktbeilegung erkannt hat und fördern will. Die Einfühlsamkeit, mit der das Gesetz entworfen wurde spricht für diese Haltung. Sie berücksichtigt, dass die Mediation in ihrer Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Man sollte nicht unterschätzen, dass die Gesetzgebung auch eine Form der Kommunikation ist. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt die Frage offen, was will der Gesetzgeber dem Bürger gegenüber mit diesem Gesetz zum Ausdruck bringen? Es ist sicherlich mehr als nur die Bereitstellung eines weiteren justiziablen Verfahrens.
Arthur Trossen
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