Die Chance für eine andere Konfliktlösung
„Protest gegen Baumfällungen“, „Stadtverwaltung sieht sich heftigen Vorwürfen ausgesetzt“, „Zweifel an Begründung für gefällte Bäume“, bis hin zu „SEK räumt Park“. Bei diesen Schlagzeilen geht es um Baumfällungen im öffentlichen Bereich, aber auch andere Anwendungsfelder wie z.B. Verkehrs- und Raumplanungsprojekte, Erweiterungen bzw. Neubau von Betriebsanlagen wie Windkraftanlagen und Leitungsmasten können ähnliche Reaktionen hervorrufen.
Es gibt eine Reihe von typischen Merkmalen die diese Konflikte im öffentlichen Bereich kennzeichnen. So z.B.:
- Es handelt sich um Projekte mit einem politischen Hintergrund.
- Es werden eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen berührt.
- Die Themen sind meist sehr komplex und vielschichtig.
- Die Konfliktaustragung wird von der Öffentlichkeit beobachtet.
- Die Konfliktpartner haben unterschiedliche Funktionen und Entscheidungsbefugnisse.
- Entscheidungen im umweltpolitischen Bereich sind durch gesetzliche Regelungen geprägt.
- Die Entscheidungen sind meist auf mehrere Institutionen verteilt und es bedarf mehrerer Genehmigungsverfahren.
Doch zunächst was ist Mediation?
Lateinischen und griechischen Ursprungs lässt sich Mediation als neutrales Vermitteln „übersetzen“.
Dr. Georg Mähler definiert Mediation in der Zeitschrift KON:SENS 1999 so:
„Mediation ist ein freiwilliger Prozess, in dem Konfliktpartner mit Hilfe eines neutralen Dritten ohne inhaltliche Entscheidungsbefugnis gemeinsame, aufeinander bezogene, nach Möglichkeit wertschöpfende Entscheidungen treffen, die auf dem wachsenden Verständnis von sich selbst, dem Anderen und ihrer Sicht der Realität aufbauen.“
Was ist Umweltmediation?
Umweltmediation oder Mediation im öffentlichen Bereich ist eine Mediationsart mit der Konflikte mit den oben genannten Merkmalen aufgeweicht, Interessen aufgedeckt und Lösungspotentiale freigesetzt werden können.
Wie bei allen Mediationsarten gelten auch in der Umweltmediation für die Teilnehmer der Mediation (Medianten) die Prinzipien:
Freiwilligkeit, Eigenverantwortung, Vertraulichkeit, Informiertheit und für den Mediator die Allparteilichkeit.
Und ebenso verläuft wie bei allen Mediationsarten die Umweltmediation in den Phasen:
Vereinbarung des Mediationsvertrages, Bestandsaufnahme, Interessenfindung, Konfliktlösung und Ergebnis.
Beispiel für den Ablauf einer Umweltmediation: Der Streit um die Pappelallee
Im Rheintal gibt es eine denkmalgeschützte Pappelallee. Die Bäume sind eingeschränkt in ihrer Vitalität bzw. Stand- und Bruchsicherheit. Als aus Sicherheitsgründen alle alten Bäume gefällt und ersetzt werden sollen, entwickelt sich massiver Widerstand bei den Anwohnern und einer Bürgerinitiative, die für den Erhalt der Allee kämpfen. Der Streit der Parteien dauert bereits mehrere Jahre. Politik und Medien sind involviert.
Auf Initiatives des zuständigen Umweltdezernates soll eine Mediation durchgeführt werden, mit dem Ziel den Konflikt zu beenden und das weitere Vorgehen einvernehmlich festzulegen. Der Auftrag wurde an einen Mediator vergeben, ein Termin mit allen Beteiligten abgestimmt und ein Raum organisiert.
Mediationsbeteiligte (Medianten) sind Mitarbeiter des Umweltdezernates, des Grünamtes, des Umweltamtes, der Denkmalbehörde, eine Bürgerinitiative, Mitglieder des Ortsbeirates und Anwohner.
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Zur Verhinderung von Fehlinterpretationen bildet der Mediator im Vorfeld der Mediation Hypothesen:
1. Der Fall hat politische Brisanz. Damit geht es den politischen Akteuren meistens um Glaubhaftigkeit und verbunden damit auch um ihre Existenz in der Funktion, also um Wiederwahl.
2. Für die Behördenvertreter steht ihre Fachlichkeit im Vordergrund. Aber auch der Ärger darüber, dass Laien (Bürgerinitiativen, Anwohner, …) die Fachlichkeit in Frage stellen, spielt eine wichtige Rolle.
3. Vertreter von Bürgerinitiativen sind oft „kampferprobt“ gegen Behörden. Es geht darum sich in einem vermeintlich inhaltlich sicheren Thema zu profilieren.
4. Das Thema Baum hat eine besondere Qualität. Der Baum steht als Lebens-, Hoffnungs- und Weisheitssymbol mit dem u.a. Begriffe wie Stärke, Sicherheit, Ausdauer und Langlebigkeit verbunden sind. Es ist mit Emotionen zu rechnen.
5. Dieser Aspekt kann auch bei den Anwohnern eine Rolle spielen und die Angst vor Veränderung bzw. Einschränkungen von liebgewonnener Gewohnheit.
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Phase 1 – Der Mediationsvertrag:
Am vereinbaren Termin beginnt die Mediation mit einer Vorstellung aller Anwesenden. Der Mediator beschreibt anschließend die Phasen der Mediation und erläutert Prinzipen:
- Freiwilligkeit – Die Teilnahme an der Mediation ist freiwillig. Alle Parteien haben das Recht die Mediation jederzeit zu beenden.
- Eigenverantwortlichkeit – Die Medianten treffen eigenständige Entscheidungen.
- Vertraulichkeit – Die Medianten verpflichten sich sämtliche Inhalte der Mediation vertraulich zu behandeln.
- Informiertheit – Es werden alle entscheidungsrelevanten Fakten genannt.
- Allparteilichkeit – Der Mediator ist neutral.
Um den Mediationsvertrag abzuschließen, holt der Mediator nun von allen Personen -einzeln- die Zustimmung zu den vorgetragenen Prinzipien (besonders der Vertraulichkeit) ein und verpflichtet sie darauf. Je nach Erfordernis können auch Gesprächsregeln (z.B. Andere ausreden lassen, kein grobes Verhalten und Beleidigungen) vereinbart werden.
Phase 2 – Die Bestandsaufnahme:
Der Mediator ermuntert nun mit gezielter Fragetechnik die Anwesenden zur Schilderung des Sachverhaltes.
Es kommt zur Informations- und Themensammlung, wobei (bei gleichen Redezeitanteilen!) jede Partei die Möglichkeit hat ihre Sichtweise des Konfliktes darzustellen.
Der Mediator ordnet die Informationen, fasst sie sachlich zusammen und dokumentiert.
(Bild 2 Bestandsaufnahme und Interessen) Im Fall der Pappelallee zeigt sich nach anfänglich kontroverser und emotionaler Diskussion, dass alle Teilnehmer -aus unterschiedlichen Motiven- den Erhalt der Allee wünschen, aber nicht wissen, wie dieses Ziel zu erreichen ist.
Phase 3 – Die Interessenfindung:
In dieser Phase geht es darum das eigentliche Thema des Konfliktes aufzudecken.
Es geht um die individuellen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten die bisher nicht erkennbar waren.
Die Aufgabe des Mediators ist es, die gegensätzlichen Standpunkte allgemeinverständlich und neutral zu formulieren, dabei Gemeinsamkeiten und konträre Standpunkte herauszuheben.
Mit dieser Vorgehensweise wird gegenseitiges Verstehen möglich.
In dem Beispiel Pappelallee reichen die Motive von Sonnenschutz, Kindheitserinnerungen und Gewöhnung bei den Anwohnern, über Fachlichkeit, Bedenken vor Regressforderungen und Verpflichtung zur Erfüllung rechtlicher Vorgaben bei den Behördenvertretern, Angst vor Glaubhaftigkeitsverlust bei der Bürgerinitiative bis hin zu dem Wunsch nach tragbaren Lösungen vom Ortsbeirat und der Angst vor Verlust der beruflichen Position durch fehlende Wählerstimmen im Umweltdezernat.
Phase 4 – Die Konfliktlösung:
Das Ziel dieser Phase ist die Erarbeitung einer Lösung für das in der Bestandsaufnahme festgelegte Thema.
Mit einem Brainstorming werden Lösungsmöglichkeiten gesucht und aufgelistet. Im Anschluss daran werden die Lösungen (z.B. mit Klebepunkten) bewertet, es entsteht eine Rangfolge an Alternativen und automatisch eine Erweiterung der bisher gesehenen Lösungsmöglichkeiten.
In der vierten Phase können z.B. auch Gutachten vorgestellt, Planungen gesichtet oder Exkursionen durchgeführt werden.
Die gefundenen Lösungen sind das rohe Einigungskonzept, das für alle Beteiligten einen Nutzen haben sollte (Win-Win-Situation).
(Bild 3 Lösungen 1. Sitzung) Die Auswertung der Lösungen für die Pappelallee setzt Schwerpunkte auf die Erstellung eines Gutachtens und dem Erhalt von Baumveteranen. Auf dieser Grundlage soll Expertenrat eingeholt werden und die Mediationssitzung wird vertagt. In einer weiteren Mediationssitzung (Bild 4. Lösungen 2. Sitzung) wird das beauftragte Gutachten und die Alleenplanung vorgestellt. Im Anschluss daran ergänzen die Medianten die Planung mit dem Erhalt von Kulissenbäumen, planen eine Spendenaktion und die Entlastung der Gärtner durch Baumscheibenpflege. Artfremde Bäume sollen aus der Allee auf einen Kinderspielplatz verpflanzt und das Ergebnis der Mediation öffentlich mit Umtrunk und Pressebegleitung vorgestellt werden.
Phase V – Das Ergebnis:
Zum Abschluss werden die erarbeiteten Optionen fachlich und rechtlich geprüft und zu einer Vereinbarung zusammengefasst. Die Vereinbarung wird von allen Beteiligten unterzeichnet. Die Vereinbarung (Bild 5 Mediationsvereinbarung) für das Beispiel der Pappelallee sieht folgender Maßen aus:
Was kostet eine Mediation?
Wie aus der Aufstellung (Bild 6 Kosten einer Mediation) ersichtlich ist, variieren die Kosten entsprechend der Aufwendungen, Erfordernisse und Anbieter erheblich.
Aber Eines ist unstrittig und wird von der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Anfang 2011 so beschrieben:
„Die Mediation hat im Vergleich zu Gerichtsverfahren vor allen Dingen einen Vorteil: Einen Verlierer gibt es nicht…“.
Mediation (gleich welcher Art) schafft konstruktive Lösungen, die für beide Seiten annehmbar sind.
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