Einzelgespräche in der Mediation
In angelsächsischen Zugängen zur Mediation spielt das so genannte Caucusing eine ganz entscheidende Rolle. Grund genug zu hinterfragen, was das denn ist und warum ein Mediator diese Technik verwenden sollte oder nicht.
Der Begriff Caucus kommt aus der Politik. Er bedeutet so viel wie Fraktion und bezeichnet im Englischen eine Versammlung der Mitglieder und Anhänger einer Partei oder politischen Gruppierung.
In der Mediation bezeichnet der Begriff eine Technik, die es dem Mediator erlaubt mit den Parteien Einzelgespräche zu führen. Bei dem Caucusing handelt es sich um eine der Shuttle Mediation (Pendelmediation) ähnliche Herangehensweise. Das Caucusing findet oft schon zu Beginn der Mediation statt, mitunter aber auch nach Abschluss der Phase zwei.
Bei der kontinentalen Mediation und speziell in Deutschland ist das Caucusing weniger beliebt. Hier werden Einzelgespräche nur dann geführt, wenn es den Parteien unerträglich erscheint zusammen in einem Raum zu sein. Ob, wann und inwieweit der Mediator das Caucusing einsetzt hängt letztlich von seiner und der Parteien Entscheidung ab.
Die Vorteile des Causcusing sind:
- Die Parteien können sich freier äußern
- Der Mediator hat hier die Möglichkeit sehr intensiv auf die Pläne und Erfolgschancen der jeweiligen Strategien einzugehen.
- Wahrung der Vertraulichkeit
Auch wenn die Mediation Vertraulichkeit zusichert, ist dies eher theoretisch als praktisch abzusichern. Die Parteien mögen daran gehindert sein, Informationen bei Gericht einzubringen. Sie sind aber nicht gehindert, diese strategisch zu verwerten. Es mag deshalb sein, dass sie auch in der mediation bestimmte Informationen zurückhalten. Das kann mit dem Caucusing verhindert werden.
Beispiel 1: Der in der Mediation anwesende Chef erfährt “von dem schlechten Charakter” seines Mitarbeiters. Er darf diese Infos nicht spontan etwa für eine Kündigung verwerten. Er wird aber seine Wahrnehmung fokussieren und neue Gründe finden.
Beispiel 2: Der Umstand beispielsweise, dass eine Partei (ein Unternehmen) kurz vor der Pleite steht, kann das strategische Verhalten der Gegenseite beeinflussen. Wenn sie über diese Information verfügt, muss sie den Prozess gegebenenfalls nur verzögern. Dann lösen sich die Probleme im Faktischen.
Die genannten Beispiele sollen verdeutlichen, dass eine 100%ige Vertraulichkeit in der Mediation (joint session) nicht möglich ist, aber in einem Caucusing. Das ist einer der Gründe, warum das Caucusing oft in Wirtschaftsmediationen verwendet wird. Ein anderer Grund liegt darin, dass die Wirtschaftsmediation von den Amerikanern auf der Basis des Harvard Konzeptes eingeführt wurde, wobei das Caucusing als eine angelsächsische Variante der Mediation stereotyp übernommen wird / wurde. Man sollte sich aber im Klaren sein, dass ein Caucising nicht immer notwendig ist und auch Nachteile in sich birgt.
Die Nachteile des Causcusing sind:
- Ein Mediator, der das Loopen gut beherrscht, kann aus allen Vorwürfen die Ich-Botschaft heraushören und gegenüberstellen. Es gibt also keinen “schlechten Charakter”. Im Gegenteil besteht die Möglichkeit, dass die gegnerische Partei ihre Wahrnehmung dem Anderen gegenüber korrigiert. Der Übersetzungeffekt, der diese Korrektur ermöglicht geht im Causcusing verloren.
- Das Caucusing birgt die Gefahr, dass sich der Mediator zu sehr in das Vertrauen einer Partei einbeziehen lässt.
Beispiel: Der Mediant sagt zum Mediator: „Was ich Ihnen jetzt sage, dürfen Sie der Gegenseite aber nicht weitersagen.“
Fazit:
Es gibt keinen Grund das Caususing pauschal als gut oder schlecht zu bewerten oder gar als Kriterium für die Kompetenz des Mediators. Ungeschickt erscheint es mir, das Caususing stereotyp anzuwenden oder es stereotyp nicht anzuwenden. Es bedarf einer Entscheidung im Einzelfall, wobei die Abwägung der Vor- und Nachteile vom Mediator offen zu legen ist, damit die Parteien (als legitimierende Inhaber der Verfahrensrechte) entscheiden können, ob sie sich auf ein Caucusing einlassen oder nicht.
Caucusing und integrierte Mediation:
Für die integrierte Mediation ist das Causcusing eine Technik wie jede andere. Das Causcusing ist kein zwingender Bestandteil der Mediation. Es entscheidet sich im Einzelfall, ob Einzelgespräche statt finden sollen oder nicht. Falls Einzelgespräche statt finden, dann obliegt es dem Mediator …
- unbedingt seine Neutralität zu wahren und sich nicht zum Vertrauten einer Partei oder gar beider Parteien zu machen. Wenn eine Partei versucht, ihn zum Vertrauten zu machen, erläutert der Mediator seine Neutralität.
- die Empfehlung lautet, Caucasing in Beziehungskonflikten nur dann anzuwenden, wenn die Parteien die Gegenwart der anderen Seite nicht ertragen können. Gerade bei Beziehungskonflikten und in der transformativen Mediation ist der Lerneffekt ein wesentliches Element, bei dem die Parteien erkennen sollen, dass dem Vorwurf ein Bedürfnis gegenüber steht. So gesehen ist es auch eine Frage der Kompetenz des Mediators, ob er sich auf ein Causcusing einlässt oder nicht.
- mit den Parteien jeweils abzustimmen, welche Information weitergegeben werden darf und welche nicht
- der Mediator legt offen, ob und wann er mit wem Einzelgespräche geführt hat.
- ob und inwieweit Einzelgespräche geführt werden, wird mit den Medianden abgestimmt. dabei erläutert der Mediator auch die Gründe, warum ein Causcusing durchgeführt wird oder nicht. Die Entscheidung treffen letztendlich die Parteien.
Hinweis: Auf der Veranstaltung zum EuroNetMed Projekt zeigen wir einen Film über eine Mediation, die mit dem Caucusing abgewickelt wurde. Dort lassen sich sehr schön die Vor- und Nachteile herausarbeiten.
Der Preis der Formalisierung: Letztens rief eine Mediandin an. Es ergab sich ein längeres Telefonat, weil sie etwas nicht verstanden hatte. Ich denke, es wäre unnatürlich ihr zu sagen: warten Sie bitte bis wir uns das nächste Mal treffen. Im Grunde ist das Telefonat dann auch ein Einzelgespräch und es müssen die Regeln des Caucusing gelten. D.h.: die andere Seite informieren die weiterzugebenden Inhalte abstimmen. Gary Friedmann, der übrigens auch mein Lehrer war, hat natürlich recht. In Beziehungskonflikten sollte der Übersetzungseffekt des Loopens ausgeschöpft werden. Bei dem Film, den wir am 30.3. zeigen werden, kommen die Nachteile des Caucusings zum Tragen. Der Mediator hatte es (wenigstens so wie der Film geschnitten wurde) versäumt, die eigentlichen emotionalen Bedürfnisse herauszustellen. Das Ergebnis ist nicht mehr als ein Vergleich, den man auch vor gericht schließen könnte. Ich bin gespannt, ob die Teilnehmer das ähnlich sehen, wenn wir den Film zeigen.
Ich kann mich dem Werner da nur anschließen – aber das wird wohl nicht mehr viel nützen!? – Der Mediations-Mainstream läuft wohl auf E-Mediation und Kommunikationsvermeidung hinaus. – Viel Spaß damit und eine gute Berufshaftpflicht!!