Das Anagramm von Nebel ergibt Leben. Sie müssen das Wort nur rückwärts lesen. So lässt sich aus einer dystopischen Realität eine offene und kreative Perspektive gestalten. Was sagt uns das? Manchmal muss man die Dinge von hinten angehen, damit sich eine Perspektive eröffnet. Und damit sind wir schon mitten im Thema. Es geht um die Mediation. Es geht um den Konflikt und die Frage, wie damit umzugehen ist. Manchmal macht es Sinn, dort den Rückwärtsgang einzuschalten, damit der Konflikt uns nicht in den Wahnsinn treibt. Manchmal muss man umkehren, damit uns der Weg nicht dorthin führt, wo der Nebel eher dichter wird anstatt sich aufzulösen. Das Anagramm des Wortes Nebel das durch einfache Umkehr einen anderen Sinn erhält veranschaulicht ein Merkmal der Integrierten Mediation.

Die Integrierte Mediation beschreibt die Mediation als einen Erkenntnisprozess.

Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Es gibt auch andere Konzepte und Herleitungen der Mediation. Der kognitive Ansatz der Integrierten  Mediation macht sie jedoch zu etwas ganz besonderes. Durch ihn wird die Mediation zu einem außerordentlichen und vielseitig einsetzbaren Instrument.

Der Erkenntnisprozess der Integrierten Mediation wird in einem Gedankengang hinterlegt. Der optimierte Gedankengang ermöglicht es den Parteien, selbst eine Lösung zu finden. Das gelingt ihnen, indem die Mediation auf diesem Gedankengang alle Hindernisse aus dem Weg räumt, die der Lösung im Wege stehen. Die Gedanken werden befreit, wenn man so will.

Es ist ein außerordentlich komplexer Vorgang, der im Wesentlichen aus der Richtung gelenkt wird, in welche die Gedanken geführt werden. Damit sind wir wieder bei der Metapher des Anagrams. Wenn ich nach vorne denke, denke ich in das Problem (also den Nebel) hinein. Wenn ich rückwärts denke (das Wort von hinten lese) gehe ich auf das Leben zu.

Anhand des BREXITs lässt sich der Unterschied zu anderen Entscheidungsprozessen gut verdeutlichen. Der BREXIT wurde, wie die meisten Entscheidungsprozesse, wie folgt abgewickelt:[1]

Entscheidungsprozess

Zunächst wurde ein Problem aufgeworfen. In der Skizze wird das Problem mit dem Thema bezeichnet. Dann folgen Argumente für die eine Position und die Gegenposition. Bei einem Thema, das so komplex ist wie der BREXIT, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Argumente niemals die gesamte Komplexität der Fragestellung abdecken. Im BEXIT-Beispiel wurde die Entscheidung schließlich einem Referendum überlassen. Das wäre vergleichbar mit einer richterlichen Entscheidung bei Gericht.

Auffällig war beim BREXIT, dass die Überlegung, wie der BREXIT zu vollziehen ist, erst nach der Entscheidung in Angriff genommen wurde. Es hat lange gedauert, bis das Wie geklärt war. Wäre es eine gute Lösung gewesen, müsste heute niemand darüber streiten, ob der Vertrag gebrochen werden soll oder nicht. Aber selbst wenn es eine gute Lösung gegeben hätte, würde einige Zeit vergehen, bis sich die Auswirkungen zeigen und die Menschen in der Lage sind zu beurteilen, ob die politische Entscheidung gut war oder nicht. Schon jetzt macht sich eine verhaltene Schadenfreude oder ein zaghaftes Bedauern bemerkbar. Vielleicht kommt aber alles ganz anders. Wer weiß das schon.

Das Beispiel soll zeigen, dass Entscheidungsprozesse, die linear ins Problem hineindenken, das Problem nicht loswerden können. Das hat auch Watzlawick in seinem Vortrag „Wenn das Problem Teil der Lösung ist“ festgestellt.[2]

Die Mediation geht grundsätzlich anders vor. Sie bietet eine Denkrichtung an, die nicht in das Problem, sondern um das Problem herum führt. So erfüllt sie die Erkenntnis von Einstein, wonach das Denken, das in ein Problem hineinführt, nicht aus dem Problem herausführen kann.

Entscheidungsprozess-Mediation

Wie die Skizze veranschaulicht, achtet die Mediation zuerst, nachdem das Thema festgelegt wurde, auf den Nutzen. Also das was die Entscheidung bewirken soll. Der Nutzen liegt natürlich in der Zukunft und ist deshalb noch keine Realität. Aber es lassen sich durchaus die Kriterien festlegen, an denen der Nutzen zu messen ist. Erst wenn sie geklärt sind und alle eine Vorstellung davon haben, was in der Zukunft wozu anders sein soll, richtet sich der Fokus auf die Lösung. In der Mediation geht es also nicht darum, wie das Problem gelöst wird, sondern darum, wie der Nutzen herbeizuführen ist. Wenn das Wie geklärt ist, wird darüber eine Entscheidung getroffen.

Die Entscheidung ist im Verständnis der Integrierten Mediation nicht das Ziel, sondern das Ergebnis. Sie soll das Ziel, also die gefundene Lösung lediglich festschreiben und absichern.

Arthur Trossen

[1] Siehe https://www.wiki-to-yes.org/Entscheidungsprozesse
[2] Siehe https://www.wiki-to-yes.org/Kreativität
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