Als Vereinsmitglied und Freund Arthur Trossens frage ich mich schon lange, was mit „integrierter Mediation“ eigentlich gemeint ist. Ich habe es bis heute nicht verstanden und bleibe zunehmend verwirrt zurück: Was genau wird wo hinein integriert – und wie genau geschieht das?
Nun habe ich auf der letzten Jahresversammlung am 30. und 31.3. erfahren, dass die unterschiedlichen Berufsaktivitäten (Richter, Anwälte, Psychologen, Berater usw.) in die Mediation integriert werden. Das heißt, dass diese Berufsaktivitäten integriert werden – und nicht die Mediation. Der Begriff „integrierte Mediation“ löst bei mir jedoch gerade die umgekehrte Assoziation aus: Die Mediation selbst ist der Gegenstand, das Subjekt der Integration, – es gibt also eine andere Schale, einen anderen Behälter, in den hinein die Mediation aufgenommen wird. Um diese Vorstellung klarer zu machen, spiele ich ein wenig mit dem Wort „integriert“ und komme auf „inhaliert“. Es geht, wenn ich das so richtig gehört und verstanden habe, also um eine Art „inhalierte“ Mediation: Man handelt, egal von welchem Berufshintergrund man kommt, als Mediator. Das heißt, das Tun ist immer das eines Mediators, so soll Roland Breinlinger es ausgedrückt haben.
Bin ich dem soweit richtig gefolgt, dürfte es nicht integrierte Mediation, sondern müsste sprachlich richtig integrierende Mediation heißen.
Auch ich betreibe als Anwalt nach Meinung von Arthur Trossen integrierte Mediation, also das gleiche, was der Verein „integrierte Mediation“ meint. Das Konzept der „kooperativen Praxis“, meine spezielle berufliche Orientierung (vgl. „Anwaltliches Netzwerk für kooperative Praxis und Mediation AN.KOM, www.an-kom.de) tut dies aber tatsächlich, indem es die Mediation in das Anwaltsmandat integriert – und nicht umgekehrt das Anwaltsmandat in die Mediation. Ich betreibe als Anwalt also keine (den Anwaltsauftrag) integrierende Mediation. Dies wäre, da bin ich mir sicher, nicht zulässig. Denn es ist nicht möglich, aus der Neutralität des Mediators heraus in die Parteilichkeit des Anwalts zu wechseln, wohl aber ist es umgekehrt möglich, aus der Parteilichkeit in die Neutralität zu wechseln. Warum? Ganz einfach, weil der Prozess einer Lösungsfindung mit dem Ziel einer Kooperation und eines Konsenses auf die höhere Ebene einer Gemeinsamkeit führt, dort, wo auch wieder Neutralität oder Allparteilichkeit angesiedelt ist. Umgekehrt aber kann ich als Anwalt keinen allparteilichen Auftrag annehmen, um sodann in die Parteilichkeit zu wechseln. Zumindest eine Seite würde sich dann verraten fühlen. Vor allem das Berufsrecht ist hier völlig klar: so geht es nicht!
Ich glaube, wir müssen hier eine klare Sprache sprechen. Eine Sprache, die das ausdrückt, was wir wirklich meinen und tun, und nicht etwas anderes suggeriert. Wenn wir meinen, dass die Mediation der integrierende Teil ist, dürfen wir nicht sagen „integrierte“ Mediation, weil das die umgekehrte Vorstellung weckt. Die Klarheit der Sprache ist eine Vorzeigeflagge der Mediation. Sie sollte bei der Namensgebung beginnen. Anschließend sollten wir genau beschreiben, was wir tun. Als Mediatoren können wir persönliche Zauberkünstler sein, aber das Konzept, in dem das passieren darf, sollte klar benannt und definiert werden.
Das ist eine interessante und in sich schlüssige Sichtweise.
Mein Verständnis der „Integrierten Mediation“ ist allerdings anders gestrickt: Mediation ist für mich ein Verfahren und dies gilt gleichermaßen für die „Integrierte Mediation“.
„Integriert“ bedeutete für mich in meiner früheren Funktion als Führungskraft, dass ich Mitarbeiter auch durch Konflikte führte, in dem ich temporär (z.B. innerhalb eines kritischen Zielvereinbarungsgespräches, oder bei einem Teamkonflikt) die Rolle des Vorgesetzten verlassen hatte und integriert im aktuellen Lösungsprozess die Funktion eines Mediators übernahm, um mit den Beteiligten eine für alle tragbare Klärung/Vereinbarung des strittigen Sachverhaltes zu finden und anschließend in meiner Vorgesetztenfunktion die ursprüngliche Thematik (beispielsweise die Zielvereinbarung) weiter zu führen.
Jetzt ist es mit einem Anwaltsmandat sicherlich nicht so einfach, mal kurz die Rolle zu wechseln. …
Und genau hier ist nach meinem Verständnis auch das Dilemma: ein Anwalt ist in seinem eigentlichen Mandat zwangsläufig als Vertreter einer Partei verpflichtet. Dies widerspricht somit per se dem Mediationsgrundsatz der Allparteilichkeit, woran in gleicher Weise eine „integrierte Mediation“ scheitert.
Eine „integrierende“ Funktion (für die Parteien) wäre ihm allerdings durchaus möglich. Hierzu bedarf es aus meiner Sicht jedoch eines anderen Mandats: nämlich eines Mandats beider Streitparteien zur Durchführung einer Mediation.
„Integrierte Mediation“ könnte sich dann für einen Anwalt so darstellen,
dass im Laufe einer Klientenvertretung der Wille zu einer gemeinsamen und einvernehmlichen (außergerichtlichen) Vereinbarung mit der Gegenpartei ersichtlich wird,
dass der Anwalt nunmehr sein Einzelmandat in Abstimmung mit seinem Klienten und mit der Gegenpartei niederlegt,
dass er beide Parteien mittels eines Mediationsvertrages als Mediator durch das Verfahren führt,
und abschließend als Anwalt die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen rechtswirksam vertraglich dokumentiert.
Der Begriff „integriert“ hat für mich damit durchaus seine Berechtigung. Denn es geht um die Klärung des gleichen Ursprungssachverhalts mit den gleichen Beteiligten, der aber mittels eines Rollen- und Vertragswechsels und damit über einen anderen Zwischenlösungsweg abgewickelt wird.
Der Zauber der „Integrierten Mediation“ besteht für mich einfach darin, beim Gewahrwerden eines Konfliktes im Verlaufe eines wie auch immer gearteten Prozesses, den aktuellen Prozess zu parken, die strittigen Punkte (ohne Ausrufung einer externen Mediation) intern mit den aktuell Beteiligten mediativ zu klären und anschließend auf dieser Basis den Prozess weiter zu führen.
Ich bin gespannt, wo uns die Aktivitäten zur Findung einer Legaldefinition für die Marke „Integrierte Mediation“ hinführen werden.
Etymologisch betrachtet bedeutet integrieren so viel wie ergänzen. Ist es wichtig zu wissen was wen ergänzt? Zur Vollständigkeit einer einvernehmlichen Konfliktlösung gehört eine neutrale Metaebene. Bei der kooperativen Praxis virtualisieren die RAe diese Ebene. Sie wird also abgebildet. Kommt es auf die Formalien an wer und wie diese Ebene abgebildet wird? zweifellos gibt es einen Rollenkonflikt. Die Frage ist somit kann ich den überwinden und gegebenenfalls wie.
Etymologisch mag das sein. Das „Integral“ aber ist immer das Ganze – von Teilen, und so versteht es der Normalverbraucher wohl auch: Wer sich als Ausländer „in die deutsche Gesellschaft integriert“ (oder nicht), – dabei geht es, wie man aus den politischen Diskussionen weiß, in der Tat nicht nur um das „Ergänzen“.
Zufall oder nicht: Eine Mediationsvereinigung, die sich „Deutsche Stiftung Mediation nennt, unterhält, wie ich gerade erfahren habe, eine Abteilung mit dem Namen „integrative Mediation“. „Integrativ“ würde sprachlich beides enthalten, das Integrierte und das Integrierende. Man hat sich dort möglicherweise etwas dabei gedacht…
Ja möglicherweise hat man sich gedacht das Gleiche zu tun wie wir aber natürlich unter eigenem Namen. Eine integrative Mediation gibt es auch schon als ein anderer Vereinsname. Was sagt uns das? Die Idee ist naheliegend. Wie aber typisch für Mediation gibt es (noch) keinen Zusammenschluss. Wenn sich die Stiftung als Neuling auf dem Markt mit integrativer Mediation befasst und sich nicht einmal erkundigt hat was wir seit 10 Jahren erforscht haben, dann sagt das auch etwas aus. Zurück zum Begriff: Integriert legt nahe, dass etwas in etwas Anderes eingebunden wird. Der Begriff lässt offen, wer was worin integriert. So könnte man auch denken, Mediation wird nicht in ein Verfahren sondern in eine Gesellschaft oder in ein Denken integriert. Vielleicht hilft das über die begrifflichen Irritationen hinweg.
Nun, die Deutsche Stiftung Mediation hat keine integrative Abteilung o.ä. und hat das auch nicht vor. Woher der Vorschreiber diese Information hat, bleibt wohl sein Geheimnis.Eine kurze Rückfrage bei uns hätte das aufgeklärt.
Bei meiner Aussage, dass die „Deutsche Stiftung Mediation“ eine Abteilung „integrative Mediation“ unterhält, hatten sich wohl zwei verschiedene Informationen unzulässig miteinander vermischt. Eine Rückfrage hätte das gewiss aufgeklärt, wie Viktor Müller in seinem Kommentar zu Recht bemerkt. Mir ging es jedoch gar nicht darum, einer bestimmten Institution den Verdienst einer begrifflichen Verdeutlichung zuzuschreiben. Tatsächlich findet man bei „google“ eine ganze Reihe von Anbietern der Mediation, die diesen Begriff neu (?) und ausdrücklich verwenden. Als Institution, die mit dem Begriff „integrative Mediation“ nach außen auftritt, wäre freilich die „DGM“ („Deutsche Gesellschaft für Mediation“) hervorzuheben. Es scheint, dass dieser Begriff eine zunehmende Akzeptanz zu gewinnen scheint. Und die Gründe mögen die ein sprachlichen Klarheit sein… Mehr wollte ich nicht sagen.
Natürlich lässt sich auch zu dem Begriff „integrierte Mediation“ Sinnvolles und Berechtigtes sagen, wie KlausM bemerkt. Die Frage ist jedoch: Was genau tun wir – und verwenden wir dafür den passenden Begriff? Ich für meine Person als Rechtsanwalt kann mich mit meinem Tun in dem Begriff „integrierte Mediation“ aus den genannten Gründen nicht so gut bezeichnet wiederfinden. Und das ist doch eigentlich schade, wenn die „kooperative Praxis“, wie ich meine: der „Maßanzug“ für Anwälte, die die Medition in ihren Beruf integrieren wollen, streng genommen, eben keine „integrierte Mediation“ wäre. Die würden dann nicht dazugehören. Ist das wirklich so gemeint? Daran sollte man doch ein bisschen arbeiten, finde ich.