Frau Ministerin Leutheuser-Schnarrenberger äußert sich zum Mediationsgesetz und das Gesetzgebungsverfahren
Die Justizministerin hat es sich nicht nehmen lassen, auf dem CFM Kongress, welcher vom Otto Schmidt Verlag getragen und von Prof. Dr. Eidenmüller ausgerichtet wurde, höchstpersönlich aufzutreten. Dass sie dabei von mindestens drei gezählten Bodyguards begleitet wurde, muss nicht mit der Zielgruppe oder der Fragestellung zusammenhängen. Es gibt zwar Streit um das Gesetz. Davon war auf dem Kongress aber nichts zu spüren. Das mag mit der Resignation oder der Mürbigkeit der Kongressteilnehmer zusammenhängen.
Gleichgültig ist das Thema niemandem. Der Streit wurde thematisiert. Dementsprechend endete der Vortrag unserer Bundesjustizministerin mit der Antwort auf die nicht gestellte aber implizite Frage wie es weiter gehe: „Wenn ich Ihnen jetzt sagen sollte was raus kommt, müsste ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen eine Mediation durchfuhren!“ Schade eigentlich, dass diese Idee nur für einen Witz herhalten konnte.
Inhaltlich ergab der Vortrag – zumindest für Kenner und diejenigen, die unsere Berichterstattung verfolgen – nichts Neues. Das Gesetz ist im Vermittlungsausschuss und der tagt – so die Ministerin – erst wieder am 30. März. Ob das Mediationsgesetz dort ein Thema sein wird, sei noch unklar, führte sie fort. Es gibt offenbar Wichtigeres. Der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens scheint wirklich noch völlig offen zu sein. Sogar die Sorge, es könne zu einer Blockade des Gesetzes kommen, wurde als Befürchtung in den Raum gestellt und parteimathematisch belegt. Wird nämlich im Vermittlungsausschuss keine Einigung erzielt, kann der Bundesrat nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens ohne Begründung Einspruch einlegen. Der Einspruch muss jetzt überstimmt werden. Hierfür bedarf es einer 2/3-Mehrheit im Bundestag. Jetzt sinniert man, dass ja die Roten und die Grünen sich für die Güterichterregelung stark gemacht hätten und ob es ihnen gelänge, eine 2/3 Mehrheit zu behaupten. Nach diesen Ausführungen fragt sich der politisch ungeübte Zuhörer jedenfalls, wie diese Mathematik mit der Behauptung der Ministerin einhergeht, dass dieses Gesetz von den im Bundestag vertretenen Parteien doch einstimmig beschlossen worden sei. Es gibt wohl eine Halbwertzeit für die Einstimmigkeit und die Bekundungen der Abgeordneten. Dabei wurde die Einstimmigkeit der Abgeordneten doch gerade so heraus gestellt. Auch Frau Leutheuser-Schnarrenberger hob hervor, dass Einstimmigkeit im Bundestag eine absolute Ausnahme sei. Wie es scheint, war diese Einstimmigkeit aber nur möglich, weil die Gegner nicht mitgestimmt haben. Wir lernen, dass der Begriff, obwohl mathematisch absolut und eindeutig, in der demokratischen Wirklichkeit dann doch eher relativ und mehrdeutig ist. Wo sonst kann man damit besser umgehen als in der Mediation? Die scherzhaft geäußerte Idee, die Parlamentarier zu mediieren ist also gar nicht so verfehlt. Allerdings dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der einzig verbliebene Streitpunkt die Frage nach der gerichtsinternen Mediation ist.
In seiner Einführung meinte Prof. Eidenmüller, das Gesetz habe die Mediation aufgewertet. Wenigstens bezweifelte die Ministerin, dass das Mediationsgesetz als ein Meilenstein angesehen werden könne, der mit dem Inkrafttreten des BGB zu vergleichen sei. Darüber aber, dass dieses Gesetz ein Ritterschlag für die Mediation sei, war man sich einig. Nun, der Ritterschlag steht noch aus. Es ist, wenn überhaupt, ein Gesetz über die Mediation, keinesfalls ein mediatives Gesetz. Es ist ein politisches Gesetz. Was die EU Direktive vom nationalen Gesetzgeber erwartete, bedurfte eigentlich keines Gesetzes. Man ist sich deshalb auch einig, dass die EU Direktive den Anstoß bildete, die Mediation generell zu regeln und offiziell einzuführen. Auch hier dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die maßgeblichen Regelungen der EU Direktive über die Verschwiegenheit, die Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung, die Freiwilligkeit bereits Bestandteil unseres Rechts sind. Zumindest ließen sie sich privatrechtlich herbeiführen. Auffällig ist nun, dass das Mediationsgesetz über diese privatrechtlich durchaus mögliche Regelungsbefugnis nicht hinaus geht. Sie schränkt sie eher ein. Wenn wir den Ritterschlag also unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bewerten, dann bedeutet es so viel wie, dass es bald ein Gesetz geben wird, das etwas erlaubt und reglementiert, was ohnehin schon erlaubt und möglich war. Aufgeklärte Bürger mögen bezweifeln, ob dies ein Ritterschlag ist. Wenn es ein Meilenstein ist, sollte man fragen in welche Richtung die Straße führt, die den Meilenstein festlegt. Ermöglicht oder verhindert sie die Autonomie der Bürger? Was das Gesetz bewirkt ist in jedem Fall eine Institutionalisierung der Mediation. Auf den ersten Blick erscheint es so, als werde die Mediation dem gerichtlichen Verfahren als ebenbürtig gegenüber gestellt. Immerhin soll die Mediation das Gerichtsverfahren vermeiden helfen. Auch wenn manche Mediatoren den Wunsch haben könnten, dass die Mediation das Gerichtsverfahren ersetzen möge, ist es bei genauem Hinsehen diesem aber keinesfalls ebenbürtig. Fehlerhafte Mediationsvereinbarungen unterliegen weiterhin der übergeordneten gerichtlichen Kontrolle. Eine zu weitgehende Bürgerautonomie wäre da kontraproduktiv.
Die Ausführungen der Ministerin erhellten nun auch, warum das Mediationsgesetz in ein eigenständiges Gesetz gefasst wurde, anstatt sie im BGB zu regeln, wo sie als ein angebliches Bürgerverfahren eigentlich hingehört. Die Ministerin führte aus, dass die Parteien durchaus nach eigenständigen Lösungen suchen sollten. Sie meinte allerdings, dass sie dazu alleine nicht in der Lage seien. Schon nach Stuttgart 21 äußerten sich manche Politiker überrascht über den Sachverstand ihrer Bürger. Die Überraschung ist scheinbar wieder in Vergessenheit geraten. Man sollte die Auffassung über Kompetenz und Unvermögen der Bürger wenigstens nicht derart pauschalieren und statt dessen überlegen, wann die Parteien warum daran gehindert scheinen, ihre Probleme selbst zu lösen. In den meisten Fällen sind die Menschen durchaus und ohne weiteres in der Lage, Lösungen zu finden und ohne professionelle Hilfe umzusetzen. Manchmal sind es die Politiker und die Gesetze die sie daran hindern. Das sollte man nicht vergessen. Es gibt viele Menschen, die in ihrem ganzen Leben weder einen Anwalt, noch einen Richter oder gar einen Mediator gesehen haben.
Eigentlich ist die Mediation ein Bürgerverfahren. Jedenfalls war sie es, bevor man sich über deren gesetzliche Einführung Gedanken gemacht hat. Um der bürgerlichen Kompetenz bei der Lösungssuche Ausdruck zu verleihen, wäre die Regelungen zur Mediation besser im Bürgerlichen Gesetzbuch aufgehoben. Dort gibt es auch bereits einen Paragrafen, der das Zustandekommen eines Vergleichs im Streit definiert. Der Vergleich wird als ein gegenseitiges Nachgeben beschrieben. Ein gegenseitiges Nachgeben typisiert den Kompromiss. Der Mediationsvertrag wird oft als Vergleich gesehen. Rechtstechnisch ist es ein Vertrag sui generis, in dem ein Konsens über die jeweilige Interessenverwirklichung zum Ausdruck kommt. Im BGB wäre es ohne weiteres und nicht nur an Professionen gerichtet möglich gewesen, die Mediation als einen neuen Vertragstyp zu regeln und sein Zustandekommen an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen, wobei an das Zustandekommen eines solchen Vertragsverhältnis natürlich auch Rechtsfolgen geknüpft werden können. Hier wäre es zum Beispiel ohne weiteres möglich, die Frage der Vorschlagsberechtigung an Haftungsfragen zu knüpfen. So würden sich die Anforderungen an Ausbildung und Einhaltung von regeln der Mediation ganz einfach erledigen lassen. Wo der Mediator haftet, achtet er automatisch darauf, dass er keinen Haftungsanlass gibt. Derartige Gedanken liegen den Politikern aber fern. Mediation ist ein professionelles Verfahren. Vielleicht wäre es ehrlicher, die Mediation als ein Professionsverfahren als ein Bürgerverfahren zu bezeichnen.
Tatsächlich wird die Mediation von den Professionen eingeführt. Manche sind daran interessiert, ein gutes Produkt anzubieten. Andere wollen Ihr Portfolio erweitern und neue Märkte erschließen. So gesehen ist es konsequent, wenn die potenziellen Konsumenten bei den Fragen der Einführung und Umsetzung nicht in Erscheinung treten. Ist es dann aber kein Widerspruch, wenn die Regelungen im Mediationsgesetz unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes gewichtet werden?
Nach der Auffassung der Ministerin setzt das Mediationsgesetz zwei wesentliche Akzente: 1. die Regelung zum Güterichter und 2. die Regelung zur Ausbildung. Übrigens waren beide Akzente im ursprünglich vorgelegten Entwurf des Bundesjustizministeriums, dem die Ministerin ja vorsteht, nicht vorgesehen. Es ist auch eine Frage ob die Einschaltung des Rechtsausschusses zu einer Qualitätsverbesserung geführt hat. Das Gesetz habe kontroverse Reaktionen ausgelöst, sagte die Ministerin. Der bewegte Gang des Gesetzgebungsverfahrens habe eine plurale Meinungsbildung ausgelöst. Die Art und Weise wie über das Gesetz gestritten wurde, habe gezeigt, dass Alle das Beste wollten. Ja, ja, die gute Absicht hinter schlechten Handlungen ist den Mediatoren nicht fremd. Wer bei Jack Himmelstein gelernt hat weiß, dass es in der Mediation gerade darauf ankommt, die gute Absicht hinter der schlechten Handlung herauszustellen. Wir brauchen die gute Absicht der Politiker also nicht zu bezweifeln. Wenngleich die Frage berechtigt erscheint, ob dies die einzige Absicht war und ist. Das Gegenteil von Gut, so sagt der Volksmund, ist nicht böse, sondern gut gemeint. Derzeit, so scheint es, kann niemand beurteilen, ob das Gesetz überhaupt die beabsichtigte Wirkung erzielt. Witzig und bedeutsam war deshalb schon das Wortspiel im Titel der Veranstaltung auf der die Ministerin aufgetreten war. In Anlehnung an die Zielsetzung der EU, welche die Mediation unter dem Aspekt „access to justice“ definiert, lautete der Titel der Veranstaltung „access to mediation“. Access to justice könnte man mit „Zugang zur Gerechtigkeit“ übersetzen auch wenn der google Translater einen Zugang zur Justiz anbietet. Worum geht es also wirklich?
Zumindest auf den ersten Blick ist es beruhigend zu hören, dass das Gesetz Raum für Entwicklungen geben soll und dass man davor warnt, Entwicklungen abzuschotten. Genau das steht aber zu befürchten. Das wird auch befürchtet, wenn der Gesetzgeber die gerichtsinterne Mediation als solche nicht ausdrücklich erlaubt hat. Das kommt einem verbot der gerichtsinternen Mediation nahe, ohne dass es als solches formuliert ist. Hätten die Bürger eine Lobby, gäbe es sicher noch andere Befürchtungen, die hier aber nicht zur Sprache kommen. Aktuell geht der Streit um die in manchen Bundesländern erfolgreich eingeführte Richtermediation. Sie wurde wegen einer einfach unterstellten, aber nicht wirklich existierenden Regelungslücke in der ZPO für möglich gehalten. So gehen wir mit unserem Rechtsstaat um. Wie dem auch sei, nach dem nunmehr vorliegenden Gesetzestext kann von einer Regelungslücke jedenfalls keine Rede mehr sein. Die Richtermediation wird deshalb als nicht mehr zulässig angesehen, wenn das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form beschlossen werden wird. Der Gesetzgeber habe viele Elemente der Mediation, wie auf dem Kongress in München festgestellt wurde, im sogenannten erweiterten Güterichtermodell aufgenommen. Auf die Frage was dort fehle, gäbe es unklare Antworten, meinte eine Expertin. Die Richter hätten sich beschwert, führte die Ministerin aus, dass der Gesetzgeber ihnen wieder weg nehmen wolle, was sie selbst entwickelt hätten. Jetzt fragte man sich, ob die Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht mehr sei, als nur der Streit um ein Etikett. Aus fachlicher Sicht, gibt es Bedenken gegen die Auffassung, dass der Güterichter eine Mediation durchführe. Die Überlegung, dass der Güterichter von einer Protokollierung zu befreien sei, gehe wegen der in der Mediation zu gewährleistenden Vertraulichkeit nicht weit genug, meinte das sachkundige Publikum. Hervorzuheben sei, so die Ministerin, dass der Güterichter nunmehr in allen Verfahren eingeführt werde, wenn das Gesetz in Kraft trete. Rein begrifflich kommt die Frage auf, ob ein Richter denn überhaupt ungütig sein kann oder soll. So gesehen hat es natürlich etwas beruhigendes, wenn es jetzt in jedem Verfahren einen gütigen Richter gibt. Dann wurde moniert, dass der Güterichter ja Vorschläge machen könne. Dies sei in der Mediation nicht möglich. Endlich meldete sich Prof. Dr. Eidenmüller zu Wort, indem er völlig zu Recht hervorhob, dass dieses in Deutschland präferierte Mediationsmodell ja nur ein idealtypisches Modell sei. Im Verständnis vieler Mediatoren ist eine Mediation, die mit dem Mediator ein Vorschlagsrecht einräumt doch nur eine Schlichtung. So wie es aussieht will man dies dem Güterichter verwehren. Ein Praktiker weiß, dass die Grenzen von Moderation, Schlichtung und Mediation fließend sind, um nur diese angrenzenden Verfahrenstypen zu benennen. Der Praktiker fragt sich also, was soll passieren, wenn sich herausstellt, dass die Verhandlung vor dem Güterichter oder wem auch immer nur eine Moderation oder doch eine Schlichtung erfordert. Soll er die Verhandlung dann abbrechen und die Parteien zu dem nächsten Spezialisten weiterreichen? Das erscheint praxisfremd und allzu theoretisch. Wieder steht das modellhafte denken der Theoretiker im Vordergrund, das von der theoretisch zumindest möglichen klaren Trennung der Verfahren ausgeht und diese dementsprechend begrenzen will. Fit the fuss tot he form heißt das Motto. Es ist ein theoretisches Konstrukt. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren. In der Praxis wird sich der Konflikt kaum an diese Regel halten wollen. Tatsächlich sind die Grenzen von der ungeregelten Moderation bis hin zur Fixierung von Verhandlungsregeln und zur Schlichtung fließend und sinnvoll aufeinander aufbauend. Die Moderation ist sogar ein Bestandteil der Mediation. Und manchmal muss ein Mediator auch einen Vorschlag unterbreiten. Besser wäre es deshalb, die Verfahren so zu gestalten, dass sie sich auf die Dynamik des Konfliktes einlassen und den Konfliktstrategien der Parteien anpassen können. Fit the form to the fuss wäre das passende pragmatische Modell. Integrierte Mediation hieße das Konzept, das dazu in der Lage ist. Die Mediation bildet das Konzept, wie diese Übergänge zu ermöglichen sind. Leider verschließen die deutschen Politiker und Experten noch immer ihre Augen vor dieser naheliegenden Lösung. Sie tun dies, obwohl die integrierte Mediation als effizient evaluiert wurde.
Dem Beobachter kommt es wirklich so vor, als streite man um das Etikett statt über Inhalte, Ziele und Bedeutungen. Hervorzuheben ist schließlich die ebenfalls auf dem Kongress geäußerte Erkenntnis, dass ein Gesetz die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Lösung selbst gar nicht ermöglichen könne. Man war sich darüber einig, dass dafür letztendlich die Eigenverantwortung und eine kooperative Grundhaltung der Parteien erforderlich seien. Die Ministerin jedenfalls Leider wurde diese Zuversicht nicht mit Fakten belegt. Natürlich wissen wir, dass sich mit Regeln zwar ein Verhalten, nicht aber eine innere Einstellung steuern lassen. Dazu bedarf es der Motivation. So gesehen ist es bemerkenswert, dass sowohl die Politiker, wie die meisten Experten diese Motivation an die Professionen als Multiplikatoren anknüpfen, anstatt sie an die Sichtweise und das Verständnis der Bürger zu knüpfen. Die Strategie passt jedoch in das von der Ministerin geäußerte Bild, dass der Bürger ja alleine gar nicht in der Lage sei, die für ihn passende Lösung zu finden. Motivation der Professionen wird mit Nachfrage übersetzt. Mit diesem Fokus drehte sich die Diskussion über den Güterichter deshalb wiederum nicht um die Bedarfe des Bürgers, sondern um die Frage, ob die gerichtsinterne Mediation oder das Güterichtermodell nicht eine versteckte Subvention und somit einen unlauteren Wettbewerb darstelle. Das jedenfalls ist die größte Sorge der Experten. Der Beobachter fragt sich: was will man denn jetzt? Geht es um Markt und Nachfrage, um die Einführung eines Produktes oder darum dem Bürger Hilfe anzubieten, wo und wie er sie benötigt. Jeder clevere Geschäftsmann würde bei der Einführung eines neuen Produktes die Bedarfe des Kunden analysieren, ehe er seine Produkte festlegt. Der Bedarf des Kunden wird hier einfach unterstellt. Damit wird der Blick frei auf die Frage nach der Reinheit des Produktes. Das geschieht offenbar ohne sich über die Vielseitigkeit und Wirksamkeit der Mediation als Produkt oder besser gesagt als ein Kognitionsmodell im Klaren zu sein. Deutlich wird jedenfalls, dass es auch unter den Experten noch sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, was Mediation im Detail bedeutet und was nicht. So gesehen ist es nachvollziehbar, warum die Qualität des Produktes im Vordergrund steht und den zweiten wichtigen Akzent des Mediationsgesetzes ausmacht. Leider wird weder eine 120 Stundenausbildung noch die selektive Ermächtigung der Ausbilder nicht dazu beitragen, die Vielfalt der Mediation erkennbar zu machen.
Die politische Ausrichtung wird aber deutlich. Auch in Zukunft wird es keine Zugangsvoraussetzungen für Mediatoren geben. Anders als in Österreich zum Beispiel, wo man sich für ein Anerkennungsmodell entschieden hat. Dort muss der Mediator eine behördliche Anerkennung aufweisen, um die Rechte und Pflichten des Mediationsgesetzes auslösen zu können. Der Rechtsausschuss hat sich für ein Gütesiegelmodell entschieden. Hier muss der Mediator lediglich eine Ausbildung nachweisen können, um sich zertifizierter Mediator nennen zu können. Die Qualifikation hat rechtlich keine Auswirkungen. Das bedeutet, dass die Wirkungen des Mediationsgesetzes auch dann eintreffen, wenn der Mediator kein Zertifikat besitzt. Niemand soll gezwungen sein, ein Zertifikat zu erwerben. Die Kontrolle soll über den Ausbildungsmarkt erfolgen. Dieser ist nicht nur im Fokus des Gesetzgebers, sondern auch der Lobby. Mediation ist noch immer ein Ausbildungsmarkt und da kommt es einigen zugute, wenn es gelingt, diesen zu limitieren. Die strategische Ausrichtung der Politik zielt also darauf ab, die Institute zu akkreditieren die dann Zertifikate ausstellen können. Mithin ist auch beabsichtigt, eine Regelung zu finden, wie die Akkreditierung der Ausbildungsinstitute stattfindet auf welche Stelle letztendlich darüber befinden wird.
Leider werden auch diese Verhandlungen wieder sehr selektiv geführt. Wenn die Politik nun meint, sie überlasse die Zertifizierung dem privaten Markt, dann vertraut sie offenbar darauf, dass die Mitbewerber darüber zu entscheiden haben, wer akkreditiert wird und wer nicht. Die Erfahrungen im Streit um Standards und das verhalten der Verbände und Kammern hat bisher nicht mehr bewiesen, als dass dies eben nicht möglich ist. Die Politik behauptet, nicht in den Markt einzugreifen. Sie tut es aber doch. Mittelbar und selektiv. Wie bei dem einstimmigen Bundestagsbeschluss über das Mediationsgesetz werden Gegner einfach ausgeblendet oder in die Diskussionen nicht einbezogen. Die Strategie ist kennzeichnend für moderne Politik. Auch der Kennzeichenschwindel ist ihr Merkmal. So wird behauptet, der Fokus liege auf den Bürgern. Tatsächlich aber liegt er auf den Ausbildern. So erhält man die Lobby am Leben. Ob bei einer nur 120 stündigen Ausbildung überhaupt von Qualität gesprochen werden kann, ist eine Frage, auf die man nicht mehr eingehen muss. Es ist halt so, das möchte der Gesetzgeber jetzt entscheiden. Den Einfluss der Rechtsanwaltskammern spürt man, wenn man weiß, dass die Regelung des Gesetzgebers nach deren Initiative erfolgte und dass die 120-Stundenausbildung der Fachanwaltsausbildung entspricht. Vielleicht gibt es bald einen Fachanwalt für Mediation? Das passt zumindest begrifflich zum Richtermediator wenn es auch wie der Anwaltsmediator ein semantischer Unsinn ist. Warum gibt es eigentlich keinen Therapeutmediator?
Die Diskussionen und die Art und Weise wie sie geführt werden belegt nur, dass noch vieles unklar ist und widersprüchlich erscheint. Nur Wenige sind in der Lage, die Vielfalt und Gestaltungskompetenz der Mediation zu erkennen. Aber Viele reden darüber und was noch schlimmer ist, sie entscheiden darüber. Man fühlt sich an das Höhlengleichnis von Platon erinnert, wo die Schattenwesen als real angesehen wurden. So sagt die Ministerin, dass der Mediator die Verantwortung für das Verfahren übernehme, während die Parteien die Verantwortung für den Inhalt hätten. Glücklicherweise hob einer der Experten völlig korrekt hervor, dass die Verfahrensgestaltung der Mediation in der Hand der Parteien läge. Wenn dem so ist, dann müssen sie auch für das verfahren verantwortlich sein. Wenn die Verfahrensgestaltung wirklich in der Hand der Parteien liegt, dann kann der Mediator für das Verfahren keine Verantwortung übernehmen. Allenfalls dafür, dass die Parteien in dem Verfahren dazu befähigt werden, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir wissen, dass überall dort wo die Verantwortung für den Prozess in anderen Händen liegt als die Verantwortung für das Ergebnis ein neues Konfliktpotenzial geschaffen wird. Das klingt dann so wie: „Du musst das so machen wie ich es sage aber für das Ergebnis bin ich nicht verantwortlich“. Wer bitte schön sollte sich auf eine solche Regel einlassen?
Nach der Auffassung der Ministerin sind die Eckpunkte des Mediationsgesetzes folgende:
- Das Gesetz ist schlank.
Wir wollen hoffen, dass es so bleibt. - Das Gesetz will eine Rechtszersplitterung vermeiden.
Damit ist gemeint, dass die Mediation unabhängig vom Wohnort der Parteien gleichförmig angewendet wird. Wenn man den Bürger als EU Bürger begreift ergeben sich wieder andere Sichten auf die Mediation. Vertragsfreiheit ist keine Rechtszersplitterung. - Es definiert die Mediation
Die Diskussionen um das was Mediation ist, scheinen sich daran nicht zu halten.
Leider wird das verfahren, nicht die Handlung des Mediierens definiert und geregelt. Dann gäbe es keine Diskussionen um den Güterichter. - Mediatoren sollen unabhängig sein
Damit ist leider nur die Unabhängigkeit vom Medianden gemeint nicht die Unabhängigkeit von Lobby und Institutionen - Das Gesetz will die Rechte und Pflichten der Mediatoren regeln.
Besser wäre es die Rechte und Pflichten der Medianden zu regeln, wenn die Mediation ein Bürgerverfahren bleiben soll. - Mediative Elemente sollen nicht pauschal ausgeschlossen werden.
Tatsächlich wird die Mediation aber in ein isoliertes Verfahren verkapselt.
Das Gesetz wird als Ritterschlag angesehen. Weiß man genau, wer hier geschlagen wird? Die Mediation braucht keinen Ritterschlag. Wer verstanden hat was das ist und worum es geht, der wendet es an. Er tut es ganz einfach, weil es sinnvoll und nützlich ist, nicht weil es sich um einen ehrenwerten Kämpfer handelt. Denn nichts anderes als ein Kämpfer ist ein Ritter und kämpfen, das wollten wir doch eigentlich nicht oder doch?
Die Auseinandersetzung um die Mediation zeigt, dass sie sich noch nicht aus dem systemischen Denken des Streitens gelöst hat. Wo von Ritterschlag und Gehirnwäsche die Rede ist, ist die Mediation noch weit entfernt. Aber seien wir optimistisch. Etwas ist auf dem Weg. Wer weiß wohin der Weg führt. Um es mit dem Denken eines Mediators zu bewerten: Irgendwo für wird das schon gut sein.
(c) Foto: von Jens Jäpel (Eigenes Werk) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
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