… ein konfliktträchtiges Verwirrspiel
Ein süddeutscher Pflegedienstleister suchte letzte Woche per Annonce einen „Mediator“ als Mittler bei Konflikten zwischen „Patienten und deren Angehörigen“.
Zum gewünschten Bewerberprofil gehört ausweislich des Anzeigentextes: …eine ausgeprägte Sozialkompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Beratungskompetenz, zielorientierte und selbstständige Arbeitsweise – und mindestens eine zwei- bis dreijährige Berufserfahrung im Bereich Mediation.“ So weit, so gut. Der ideale Mediator, um den es dem Dienstleister hier geht, soll allerdings in Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Aufgabe nach dem Ausschreibungstext „im Idealfall“ und „bundesweiten Einsatz“ „eigenständig Strategien und Vorschläge zur Beilegung von Konfliktsituationen mit einer für beide Parteien tragbaren Lösung entwickeln“.
Wir wissen nicht, wen oder was das Unternehmen tatsächlich sucht: Einen Streitschlichter, eine Art Schiedsrichter oder einen Konfliktseelsorger ? Jedenfalls offensichtlich keinen Mediator. Die Aufgabe eines nach § 1 Abs. 2 Mediationsgesetz unabhängigen Mediators ist es nicht, Strategien zu entwickeln oder gar Lösungsvorschläge zu machen. Schlechtestenfalls könnte hinter dem Stellenangebot eine Art Vertriebstätigkeit stecken mit dem Ziel, Patienten oder Angehörigen die Leistungen des Unternehmens schmackhaft zu machen, bestenfalls der selbstlose, ernst und gut gemeinte Versuch, in einem hochsensiblen Lebensbereich zugunsten der Betroffenen eine tatsächliche Konfliktlösung mittels Mediation zu ermöglichen. Wir gehen selbstverständlich von Letzterem aus.
Wie aber ist es zu erklären, dass unter Mediation gemeinhin auch eine aktiv Streit lösende, Strategien und Lösungen vorschlagende Rolle verstanden wird?
Erstens: Der vorhandene terminologische status quo der Konfliktlösungsangebote ist in der Tat uneinheitlich und verwirrend – da gibt es beispielsweise Schlichter, Schiedsrichter, Konfliktmanager, Ombudsleute und Mediatoren, existieren Schiedsstellen, Gütestellen und – etwa nach dem demnächst zu erwartenden VSBG (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz) so genannte „Streitbeilegungsstellen als Schlichtungsstellen“ als gesetzgeberische Wortneuschöpfung.
Zweitens: Streitparteien scheinen heutzutage jemanden zu bevorzugen, der ihnen im Konfliktfall Lösungen präsentiert. Bisher waren das die staatlichen Gerichte, allein ihnen waren allgemein gültige Urteile vorbehalten. Das staatliche Streitentscheidungsmonopol mag ehedem eine revolutionäre rechtspolitische Errungenschaft gewesen sein, indes verkehrt es sich aber nunmehr ins Gegenteil: Es gipfelt in dem peu a peu bewusst herbeigeführten Unvermögen der Betroffenen, ihre Belange selbst regeln zu dürfen, selbst regeln zu können und selbst regeln zu wollen. Um überhaupt eine aussergerichtliche Lösung er ermöglichen, schein zumindest der in der Presse immer wieder angeführte, erfolgreich vermittelnde „Schlichter“ erforderlich zu sein.
Zur Erinnerung: Auch Mediatoren „vermitteln“ im Konfliktfalle, unbestritten. Anders als der in Fernsehen und Presse allgegenwärtige „Schlichter“ aber nicht Lösungen, sondern „Verstehen“.
Drittens hat sich demzufolge offenbar im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Streitschlichtung“ als Oberbegriff für alle Arten außergerichtlicher Streit und Konfliktlösung eingeprägt -ähnlich wie im medizinischen Bereich die „Alternativmedizin“ als Sammelbegriff für alles, was nicht „Schulmedizin“ (=akademisch gelehrte Heilkunde) ist.
Unter Alternativmedizin finden sich unterschiedlichste Verfahren und Methoden, beispielsweise Naturheil-, Körpertherapie und Entspannungsverfahren und Methoden wie Homöopathie, Osteopathie oder Akupunktur. Überschneidungen mit der Schulmedizin sind denkbar und durchaus vorhanden – das System gerät demzufolge terminologisch ins Schwimmen. Das griffigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Schul- und Alternativmedizin bildet nur der Leistungskatalog der (gesetzlichen) Krankenkassen. Überspitzt ließe sich folgende Definition formulieren: „Schulmedizin ist das, was die AOK zahlt.“
Ähnlich im Bereich der alternativen Streitlösung, unter die alles zu fallen scheint, was nicht gerichtliche Streitentscheidung ist. Um also der Mediation als eigenständiges Verfahren und als eigene Methode der außergerichtlichen Konfliktlösung ein Dilemma wie einer singulären Methode innerhalb der „Alternativmedizin“ zu ersparen, ist nicht nur der Gesetzgeber mit sprachlicher Genauigkeit gefordert, sondern tut verstärkte Aufklärung not. Sehr gerne, selbstverständlich auch im eigenen Interesse, leistet die Integrierte Mediation hierzu wertvolle Beiträge. Ohne permanente Aufklärung entsteht bei Kunden, Auftrag- und Arbeitgebern eines Mediator möglicherweise ein verhängnisvolles Zerrbild: Die eine Konfliktlösung suchenden geraten dann womöglich freiwillig in ein „falsches“ Verfahren: dort, wo sie Vorschläge durch einen Dritten wollen / brauchen, wird Ihnen eigenverantwortliche Arbeit abverlangt, wo sie unterstützende Hilfestellung bei der eigenen Lösungsentwicklung ersehnen, müssen Sie sich Vorschlägen von Dritten unterwerfen. Außergerichtliche Konfliktlösung degeneriert dann zu einem Verwirrspiel, in dem hoffnungsvolle Erwartungen nur enttäuscht werden können.
So auch im eingangs beschriebenen Stellenangebot. Neben Gewissenskonflikten sind hier schon im Vorfeld gravierende arbeitsvertragliche Konflikte zwischen Arbeitgeber und „Mediator“ vorprogrammiert: Sie ergeben sich aus dem Widerspruch zwischen der angedachten Tätigkeit, dem Selbstverständnis des Mediators und den Kunst- und Berufsregeln der Mediation. Der hier angestellte Mediator wird demnach die ihm hier zugedachte Aufgabe gar nicht erfüllen können – in gesetzlich einwandfreier und den Regeln der Kunst entsprechender Art und Weise ist es ihm gar nicht erlaubt. Und so dürfte eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses, von wessen Seite auch immer, schon in der Probezeit wahrscheinlich sein – sofern nach einem ehrlichen und offenen Bewerbungsgespräch überhaupt eine Anstellung erfolgt. Oder noch weiter gedacht: Welcher ernstzunehmende Mediator, der die erforderliche Haltung und die Grundregeln der Mediation verinnerlicht hat, wird sich auf diese „Mediatorenstelle“ überhaupt bewerben können?
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