Die 5 wichtigsten Regeln zur Werbung in der Mediation
„Die besten Hits aller Zeiten“, kündigt der Radiosprecher an. Erstens gibt es bessere Hits und zweitens sind es nicht die besten, wenn eine tägliche Auswahl über Jahre hinweg gesendet wird. Der Superlativ wird entwertet. „Wir finden die billigsten Flüge“ lautet eine andere Werbung. Merkwürdig ist, dass ich woanders immer noch einen billigeren Flug finde. „Wir sind konkurrenzlos“ meint ein Anbieter, der die Verwertung der Mediation in einem anderen Kontext entdeckt hat.
Offenbar kennt er nicht die Angebote der Mitbewerber. „Wir bauen für Sie um“ steht auf dem Transparent vor dem Warenhaus. Ich dachte, die bauen um, damit sie mehr Umsatz machen. Das tun die doch für sich oder nicht? Hier wird einem ein X für ein U vorgemacht. Schönreden scheint zu funktionieren oder nicht?
Mit der Werbung ist es wie mit den Wahlversprechen. Man erwartet gar nicht mehr, dass die Aussagen zutreffen. Wenigstens geht es mir so. Die Werbebanner auf dem PC werden einfach abgeschaltet. Wenn es technisch nicht geht, dann geht es mental. Man sieht sie gar nicht mehr. Also gibt es noch mehr Werbung. Wenn es anderen Konsumenten ähnlich geht wie mir, dann hab ich als Anbieter ein Problem. Wie kann ich überhaupt noch werben, mich von der Konkurrenz abheben und dem Kunden klar machen, dass ich ja eigentlich der Einzige bin, mit dem es sich lohnt, ins Geschäft zu kommen?
Die erste Regel lautet: sich nicht selbst zu belügen.
Zunächst kommt es darauf an, die Situation so zu akzeptieren wie sie ist und sich nicht selbst ein X für ein U vorzumachen. Es gibt Dinge, die kann man nicht ändern. Konkurrenz muss nicht immer das Geschäft beleben, wie es so schön heisst. Wettbewerb kann auch vernichtend sein, wie wir im Beitrag „Wettlauf um den Frieden“ lesen konnten. Ob Schönreden hilft mag ebenso bezweifelt werden wie die Schlechtreden. Wir müssen weder uns noch anderen ein X für ein U vormachen. Die Redewendung kommt übrigens aus dem römischen Marktgeschehen. Die römische Ziffer V (also 5) konnte leicht in ein X (also 10) aufgewertet werden, indem man gerade mal zwei kleine Striche unter das V gesetzt hat. Juristisch ist das ein Betrug.
Wie aber sag ich den Anderen, dass ich gut bin?
Die zweite Regel lautet: Nicht der Mitbewerber ist mein Kunde.
Was geht mich mein Mitbewerber an? Es ist nicht nur bei Mediatoren zu beobachten, dass deren Bemühungen, sich auf dem Markt sichtbar zu machen, meist in Angebote und Beiträgen landet, die sich an die Mitbewerber richten oder sich direkt oder indirekt auf diese beziehen oder mit ihnen auseinandersetzen.
Mediatoren und Ausbilder sind mehr und mehr darauf angewiesen, sich zu exponieren. Zu leicht kann es geschehen, dass man übersehen wird. Noch glaubt man, man müsse die Mediation bekannter machen. Tatsächlich ist sie schon bekannt. Umfragen belegen, dass 70% der Bevölkerung schon von ihr gehört haben. Die Frage ist, ob sie verstanden wurde. Zweifellos ist die Nachfrage zwar steigend. Sie genügt aber noch lange nicht, um den Mediator als Beruf zu etablieren und all die Mediatoren (wir gehen davon aus es sind mehr als 50.000 in Deutschland) zu ernähren. Das wenigstens meinte die Begründung im Gesetzesentwurf zum Mediationsgesetz. Also wird die Mediation gefördert und in Kauf genommen, dass diese Förderung die Zahl der Anbieter erhöht. Die Konkurrenz wächst demzufolge ständig. Es besteht Handlungsbedarf.
Wie klingt das, wenn ich als Dienstleister sage: „Schaut, ich bin der Beste!“. „Musst Du ‚grad sagen“ lautet die Assoziation, wenn sie nicht sogar wortwörtlich so zurückgemeldet wird: „Aufschneider, Angeber“. Man muss schon der Beste sein, um sich so nennen zu dürfen. Den Besten gibt es aber nicht. Dafür sind wir zu viele „Beste“. Und überhaupt: wann bin ich der Beste? Wenn die Nachfrage stimmt, wenn die Leistung stimmt, wenn die Kunden mich empfehlen, wenn ich mich selbst empfehle?
Woher weiß ich, dass ich als Mediator gut bin?
Viele denken, die Qualität zeigt sich an den vom Mediator herbeigeführten Zahl der Vereinbarungen. Eine Vereinbarung muss kein Konsens sein. Bei der transformativen Mediation kommt es darauf auch gar nicht so sehr an. Sie sieht den Erfolg im Erkenntnisgewinn mehr als in der darauf folgenden Abschlussvereinbarung. Auch eine gescheiterte Mediation ist erfolgreich, wenn sie ein falsches Ergebnis verhindert. Wenn ich dies als Mediator erkenne, bin ich gut. Wenn ich irgendein Ergebnis herbeiführe, nur um ein Ergebnis zu haben, bin ich schlecht, statistisch aber gut. Wenn ich jetzt erkenne, dass die gescheiterte Abschlussvereinbarung weniger auf der magelnden Mediationsfähigkeit der Parteien als meinem eigenen Unvermögen beruht, die Mediationsfähigkeit herzustellen, dann bin ich auf jeden Fall schon einmal besser als die, die ihre Grenzen nicht erkennen und glauben, eine Vereinbarung auf Teufel komm raus herbeiführen zu müssen. Dann werde ich nämlich sagen: „Hier sind meine Grenzen erreicht aber das bedeutet nicht, dass die Mediation (etwa als transformative oder als integrierte Mediation) erfolglos sein muss!“. Der statistische Erfolg mag den Kunden beeindrucken. Eine Aussage über die Qualität ergibt sich daraus nicht. Ist es also die Zahl der Fälle und der Nachfrage oder gar der Ausbildungsnachweis? Welche Kriterien hat ein Mediator überhaupt, um zu sagen er sei gut oder gar der Beste? Die Antwort findet sich in der Mediation.
Klappern gehört zum Handwerk sagt man. Also klappern wir. Unsere Kultur bietet einen am Selbstlob vorbeiführenden Weg an, mit dem sich die schamlose Selbsteinschätzung schamhaft verpacken lässt. Mediatoren kennen das Verhalten. Es ist auch ein Teil der Konfliktstrategie, welches viele Parteien aufweisen. Es passt zur Konfrontation. Gute Mediatoren wissen auch, wie die Mediation damit umgeht, um ein solches Verhalten entbehrlich zu machen. Im Alltag sind wir aber nicht in einer Mediation (oder doch?). Und wenn wir selbst betroffen sind, ist das wie mit dem Schuster, oder nicht?
Der altbewährte Trick ist, andere schlecht zu reden. „Die wissen doch gar nichts!“ behaupte ich einfach einmal. Ich finde auch eine vordergründig plausibel wirkende Begründung: „Die haben ja keine richtige Ausbildung“. Von solchen Behauptungen lebt nicht nur der Wahlkampf sondern auch der Markt, nicht unbedingt der eigene. Die Stiftung Warentest hat den Streit um den Besten (oder soll ich sagen die Angst vor dem Schlechten) aufgegriffen und uns gesagt, was die „richtige und gute“ Ausbildung sein soll. Auch eine Behauptung, die trotz vieler Ausführungen weder stimmig noch nachvollziehbar ist, wenn man genauer hinsieht. Sie ist zumindest unvollständig, denn es gibt weitere und andere wichtige Parameter, die zur Bewertung einer guten Ausbildung heranzuziehen sind. Abwertungen und Ausgrenzungen sind die zur Konfrontation passenden Strategien. Ob sie stimmen oder nicht spielt keine Rolle. Hauptsache, sie führen zu Gefolgschaften, die sich davon beeindrucken lassen. „Die haben ja noch nicht einmal den Code of Conduct unterschrieben!“ ist auch so eine bedrohlich klingende Behauptung über den Mitbewerber. Oh ja, das hört sich gefährlich an. Abgesehen davon, dass diese Behauptung im konkreten Fall aus der Luft gegriffen war, besagt sie gar nichts, solange man nicht die Hintergründe kennt. Ein Mediator sollte solche Aussagen als Nicht-Botschaften erkennen und sie demzufolge auch nicht selbst benutzen. Sie haben keinen Gehalt und sind deshalb für nichts zu gebrauchen, als dafür, Stimmung zu machen. Nun ja, ein Mediator versteht die Ich-Botschaft: „Guckt doch mal, ich weiss auch was!“. Aber was versteht der potenzielle Kunde?
Die dritte Regel lautet: Ein Mediator sollte weder sich noch die Mediation verraten.
Wenn ein Mediator auf dem Markt auftritt, dann sollte nicht aus seinem Titel, sondern aus seinem Auftreten erkennbar werden, dass es sich um einen Mediator handelt. Im Moment mag ein von diesem Bild abweichendes Verhalten dem Kunden noch als unauffällig erscheinen. Er ist es ja nichts anderes gewöhnt. Sobald sich der Kunde aber mit der Mediation auseinandergesetzt hat, kann er aus dem Werbeverhalten Rückschlüsse ziehen auf die Qualität und das Selbstverständnis des werbenden Mediators. Der Mediator kann ihm dabei helfen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem er sein Profil offen legt.
Ein Mediator weiß (oder sollte es zumindest wissen) Fakten, Meinungen und Emotionen zu unterscheiden. Er kann Interpretationen erkennen und die darin enthaltenen Bewertungen relativieren. Demzufolge kann man von einem Mediator erwarten, mit Konkurrenzvergleichen und irrealen Superlativen vorsichtig umzugehen und – wenn er es denn überhaupt für notwendig erachtet – die Fakten herauszustellen. Bewertungen kann er dem Kunden überlassen.
Wenn ein Mediator statt dessen auf den Konkurrenten (das können auch andere Professionen sein) schielt und dessen (deren) Abwertung betreibt, um sich aufzuwerten, dann sagt er etwas über sich und sein Verständnis von Mediation. Ein Mediator ist kein Marktschreier. Er weiss was er kann (zumindest sollte er es wissen). Er muss sich nicht an anderen messen und er muss sein Wissen und Können weder aufblähen noch vernebeln. Tut er es dennoch, sagt er wieder etwas über sich.
Die vierte Regel lautet: Den Bedarf erkennen.
Im Marketing ist die Evaluation des Kundenbedarfs ein langer und auf Fehlversuchen beruhender Prozess. Die Mediation will diesen Prozess abkürzen. Diskussionen über die verpflichtende Mediation deuten darauf hin. Es ist auch nicht einfach, den Bedarf des Kunden zu beschreiben und das auch noch so, dass der Kunde sich in der Beschreibung wieder findet. Schon die Frage: „Was genau ist die Dienstleistung des Mediators?“ löst Diskussionen aus. Der Kunde schaut auf das Ergebnis, der Mediator auf den Prozess. Dass die Mediation besser, billiger, schneller und nachhaltiger sei, ist auch so eine pauschalierte Werbeaussage, vergleichbar mit den Superlativen, die längst keine mehr sind. Ein differenziertes Bild ist erforderlich – das erschwert aber wieder die Werbung und somit die Kundenkommunikation.
In der Mediation würde die Werbung anders laufen müssen als im konfrontativen Wettbewerb. Letzteres passt nicht ins Bild der Mediation. Hier können Mediatoren zeigen, was die Mediation kann und wie man sie ins tägliche Leben überführt.
Werbung für Mediation ist Werbung für Kooperation.
Also sollte das dazu passende Verhalten kooperativ sein. Der Mediator ist meinungs- und bewertungsfrei. Also sollte er die Meinungsbildung den Kunden überlassen und lediglich die dazu erforderlichen, geprüften Fakten bereit stellen. „Heiße Luft“ zu verbreiten ist nicht authentisch für einen Mediator. Bescheidenheit und Unauffälligkeit passen eher in das Bild eines Mediators. Aber da gibt es sicherlich verschiedene Stilrichtungen :-).
Schuster tragen selbst die schlechtesten Schuhe. Wertschätzend heisst das: Die Dienstleistung am Kunden ist wichtiger als die Dienstleistung an sich selbst. Es heisst auch, der Schuster hat so viel zu tun, dass keine Zeit für die eigenen Schuhe verbleibt. Es kann aber auch bedeuten, dem Schuster sind Schuhe nicht generell wichtig. Nun, Schuhe sind keine auf die innere Einstellung ganz wesentlich abstellende Dienstleistung. Und die innere Einstellung zeigt sich nicht nur in der Dienstzeit. Die hat man oder man hat sie nicht. Der Schusterspruch gilt also nicht in der Mediation.
Die fünfte Regel lautet: Mediation verkauft sich über Empfehlungen.
Empfehlungen sind schwierig, wenn sie nicht von ehemaligen Medianden ausgehen. Also muss ich dem Kunden klar machen, was mein USP (Alleinstellungsmerkmla) als Mediator ist und worin meine (gute) Dienstleistung erkennbar wird. Das setzt natürlich wieder voraus, dass ich die Kriterien einer guten zum Bedarf passenden Dienstleistung kenne. Das ist Grund genug sich über sich selbst mehr Gedanken zu machen, als über andere. Die Mediation ist nicht die Marke, die sich verkaufen lässt. Die Mediation ist die Dienstleistung. Die Marke ist der Mediator.
Verkehrtes Marketing bedeutet, sich zu überlegen, ob eine zur Mediation passende Werbung nicht anders ausfallen muss als konventionelle oder von einem konfrontativen Wettbewerb ausgehende Werbung. Es ist eine wirklich herausfordernde Aufgabe. Wer aber sonst als ein Mediator kann sie bewältigen?
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