Was ist die integrierte Mediation denn nun genau?

Haben Sie nicht auch sofort eine Assoziation, wenn Sie den Begriff „integrierte Mediation“ zu hören bekommen? Viele Menschen haben sofort eine Vorstellung von dem, was integrierte Mediation bedeuten mag. Manche streiten sogar darum und glauben zu wissen, dass es in Wirklichkeit gar keine Mediation sei. Andere wiederum glauben zu wissen, dass es doch gar nichts anderes sei als eine Mediation. Tatsächlich ist die „integrierte Mediation“ ein Anwendungsfall der Mediation – auch wenn die Mediation nicht als ein selbständiger Prozess im juristischen Sinne organisiert ist, sondern sich eher hybrid im Verständnis eines psychologischen Procedere in einer Meta-Struktur aufsetzt. Die integrierte Mediation bildet eine Synthese aus verschiedenen Verfahren. Ein Beispiel sind das Gerichtsverfahren und das Mediationsverfahren. Beide Verfahren stehen sich gegensätzlich wie These und Antithese gegenüber. Über die integrierte Mediation wird deren scheinbarer Gegensatz in einer Synthese aufgelöst, in der die Kompetenzen sowohl des einen Verfahrens wie die des anderen Verfahrens verfügbar sind.

Der Ursprung der integrierten Mediation

Arthur Trossen erkannte als Familienrichter, wie unzureichend die juristischen Verfahren sind, wenn es um die Lösung von Konflikten geht, die mehr sind als nur eine Sachauseinandersetzung zu streitigen Themen. Als Mediator versuchte er deshalb schon frühzeitig, mediative Techniken auch im Gerichtsverfahren einzusetzen. Auslöser dieser Bemühungen war der Babysitterfall. Dort war zu beobachten, wie sich ein Reframing dazu eignet, einvernehmliche Lösungen herbeizuführen. Es war sicherlich eines dieser Zufallstreffer, die jeder Richter während seiner Amtszeit mehr als einmal erlebt. Arthur Trossen wollte es aber besser wissen. Mit der Unterstützung von Eberhard Kempf, seines Zeichens  Mediator und Psychologe, entstand das Altenkirchener Modell. Jetzt ging es darum, wie sich psychologische und mediative Elemente systematisch und professionell steuerbar – also nicht nur intuitiv und zufallsbedingt – in ein gerichtliches Setting einbeziehen liessen.

Aus den Forschungen und Überlegungen wurde ein Justizprojekt. Das Ministerium in Mainz akzeptierte die Idee, die Verfahrenweise der integrierten Mediation auch in anderen Gerichten auszuprobieren. Der damailge OLG Präsident Dr. Bamberger ermöglichte die Ausbildung von 21 Familienrichtern durch Arthur Trossen und Eberhard Kempf. Das Prohejt wurde „Integrierte Mediation in Familiegerichtlichen Streitigkeiten im Bezirk des OLG Koblenz“ genannt. Die Evaluation durch Prof. Dr. Neuert beweist seinen Erfolg (siehe „Effizienz der integrierten Mediation bewiesen„).

Viele Mediatoren begegnen der Idee der integrierten Mediation mit Skepsis. Sie ziehen sich auf eine formale Definition der Mediation als ein formal abgrenzbares Verfahren zurück. Weil das Gerichtsverfahren, die Schlichtung und die Mediation über die Rolle des neutralen Dritten gegeneinander abgegrenzt werden, meinten sie, dass allein die Tatsache, dass beispielweise der Richter als entscheidungsberufener Dritter involviert sei, eine Subsumtion dieses Verfahrens unter den Begriff der Mediation ausschließe. Die formale Sicht ist nicht zu beantanden. Andererseits war auch zu beobachten, dass der die integrierte Mediation anwendende Richter aber auch kein klassisches Gerichtsverfahren mehr durchführt. Die neue Verfahrensweise wurde duerch die Synthese beider Verfahren geprägt. Sie war also formal gesehen, weder das eine noch das andere. Um die verschiedenen Verfahrensweisen gegeneinander abgrenzen zu können haben wir es integrierte Mediation genannt.

Anwendungsfelder der integrierten Mediation

Die Idee fand Anhänger. Leider wird die integrierte Mediation stets als eine Variante der Gerichtsmediation angesehen. Diese Einordnung ist jedoch NICHT zutreffend. Die integrierte Mediation ist nicht nur im forensischen Umfeld anwendbar. Besser noch lässt sie sich im betrieblichen Umfeld verwirklichen und überall dort, wo die Mediation mangels einer formalen Zustimmung der Parteien oder auf Grund der formalen Rollenzuweisung zunächst nicht möglich erscheint.

Glücklicherweise lässt sich der Kooperationswille der Parteien nicht von formalen Hindernissen aufhalten. Es wäre auch despektierlich den Parteien gegenüber, wenn deren grundsätzliche und latent stets vorhandene Kooperationsbereitschaft ausschließlich am Konsum von Verfahren und nicht um ihrer selbst willen gewertschätzt wird.

Vergleichbare Modelle

Es gibt vergleichbare, ebenfalls auf der Idee der Mediation aufsetzende Modelle. Bei dem corporative law beispielsweise lassen sich Streitwanwälte auf eine Kooperationsvereinbarung ein. Ihr Ziel ist es, einen Prozess zu vermeiden. Auch die gerichtsnahe und die gerichtsinterne Mediation versuchen Kooperationen zu verwirklichen. Über die angenommenen Grenzen des jeweiligen Verfahrens vermögen sie sich jedoch nicht hinwegzusetzen. Sie sind deshalb in vielen Fällen der treibenden Konfliktdynamik ausgeliefert. Die Cochemer Praxis hat mit einem systemischen Ansatz wenigstens in den Familiensachen versucht, die Parteien in eine kooperative Verfahrensweise zu überführen und dort zu halten.

Die etwas andere Sicht der integrierten Mediation

Würden die Diskussionen um die Verfahren der Konfliktlösung aus der Perspektive des Kunden geführt werden, ergäbe sich eine völlig andere Sicht. Der Kunde denkt strategisch. Für ihn sind die Verfahren nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Ihm kommt es darauf an, sein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel ist nicht zwingend mit dem Ziel des Verfahrens identisch. Das Verfahren beschreibt  – gemessen an der Zielsetzung des Kunden – immer nur einen Teil des Weges. Zunächst kommt die anwaltliche Beratung. Dann das Gerichtsverfahren, dann gegebenenfalls die zweite Instanz, dann folgt das Vollstreckungsverfahren. Es gibt also verschiedenen Verfahren, die für sich gesehen immer nur eine Etappe auf dem Weg zum Ziel abbilden. Leider gibt es noch kein übergeordnetes Verfahren, das in der Lage wäre, die Etappen und Ebenen der Konfliktlösung miteinander zu koordinieren. Es gibt nicht einmal eine Handhabe mit der die jeweiligen Verfahren auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden können. Ein derartiges Verfahren, das sowohl für den Kläger wie für den Beklagten in der Lage ist, ein gemeinsames Ziel zu definieren, lässt sich nur auf der Metaebene finden. Auf einer Ebene also, wo die einzelnen Verfahren keinen Selbstzweck mehr erfüllen, sondern eben nur noch als Etappen auf dem Weg eines übergeordneten, gemeinsamen Ziels verstanden werden. Das gemeinsame Ziel ist die beiderseitige nachhaltige Konfliktlösung. Widersprüchlichkeiten bestehen lediglich über die Art und Weise, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Sie betreffen die einzelnen Etappen (gegeneinander abgegrenzten Verfahren), nicht das Gesamtergebnis.

Wenn die Mediation als eines der Verfahren auf der Etappenebene definiert wird,  auf dem Weg zur Von der Zielsetzung her, könnte die Mediation angesprochen sein. Was aber ist, wenn die Mediation scheitert? Welches Verfahren ist jetzt geeingnet, das here Ziel zu erreichen? Mediatoren erwarten gerne die Abgabe des Gerichtsverfahrens an die Mediation. Die übergeordnete Strategie im Auge haltend wäre aber auch eine bidirektionale Beziehung, denkbar, etwa indem der Mediator das Verfahren an das Gericht abgibt, um es nach einer gegebenenfalls erforderlichen autoritären Intervention wieder an die Mediation zurückzuleiten. Das ENA Verfahren in England könnte mit diesem Vorgang verglichen werden. Die Parteien haben die Möglichkeit, das Gericht um eine Rechtsmeinung zu bitten, damit sie den Ausgang des Gerichtsverfahrens besser einschätzen können. Die systemische Zusammenarbeit der Professionen wurde z.B. im Cochemer Modell erprobt.

Wenn es auch kein explizites Metaverfahren gibt, das sich auf eine übergeordnete gemeinsame Konfliktlösungsstrategie beider Parteien beziehen lässt, so ist es doch möglich, eine Verfahrensweise,  einzuführen, die in jedem (Etappen-)Verfahren zielsetzend sein kann. Die integrierte Mediation versteht sich als eine solche Verfahrensweise. Sie begreift nicht nur die Einzelverfahren als eine Etappe auf dem Weg zur nachhaltigen Konfliktlösung. Vielmehr versteht sie  auch die Beteiligten nicht als Gegner, sondern als ein Team , dessen gemeinsame Aufgabe es ist, die optimalste Konfliktlösung der Parteien herbeizuführen. Der Klägeranwalt muss dann nicht mehr der Gegner des Beklagtenanwaltes sein, wenn sich beide der Auffassung anschließen, dass sie sich nicht für das kontradiktorische Ergebnis eines Prozesses einsetzen, sondern die darüber hinausgehende nachhaltige Lösung des Konfliktes. Es bedarf lediglich der Veränderung des Fokusses, der weiter in die Zukunft gelegt wird, damit dies gelingt. Die integrierte Mediation zeigt wie es geht.

Die theoretischen Grundlagen der integrierten Mediation

to be continued